Jetzt ist Zenhäusern wieder im Nati-Kader
«Die Degradierung hat mich weitergebracht»

Ramon Zenhäusern ist zurück in der Nationalmannschaft. Und bereit, anzugreifen. Obwohl er überrascht war, wie schnell er zurückgestuft wurde.
Publiziert: 07.01.2024 um 20:20 Uhr
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Aktualisiert: 17.01.2024 um 17:10 Uhr
Der «Doppelmeter» aus dem Wallis konnte im Sommer schmerzfrei trainieren. Jetzt will er zeigen, was er kann.
Foto: Joan Nathanael Minder
Nadine Gerber
Schweizer Illustrierte

Der «Doppelmeter» ist zurück im Nationalteam. Nach einem Winter als A-Kader-Fahrer startet Ramon Zenhäusern in der bevorstehenden Saison wieder als Teil der Nationalmannschaft. Die Zurückstufung erfolgte nach der miserablen vorletzten Saison. Für ihn eine Formalität. Überrascht war der 31-Jährige lediglich, wie schnell so eine «Degradierung» möglich ist. «Ich war vier Jahre lang in den Top 7 der Slalomfahrer weltweit. Dann hatte ich eine schlechte Saison, und schon war ich quasi abgeschrieben.» Selbst Medien titelten: «Zenhäusern hat seinen Zenit erreicht» oder «Der Zug ist abgefahren». Es war nie Zenhäuserns eigene Wahrnehmung. Daher hat er auch nie an sich gezweifelt.

«Das alles hat mich eher motiviert, zu beweisen, dass sie falschliegen.» Das ist ihm gelungen. Und wie. In der vergangenen Saison belehrte der über zwei Meter grosse A-Kader-Fahrer seine Kritiker eines Besseren: zwei Weltcupsiege, Platz drei im Slalom-Weltcup.

Artikel aus der «Schweizer Illustrierten»

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Für die miese Saison gab es laut Zenhäusern mehrere Gründe: eine Schulterverletzung, Rückenprobleme, eine Coviderkrankung und Schwierigkeiten mit dem Material.

«So ist das Leben. Es kann nicht immer nur aufwärtsgehen», sinniert er. «Rückwirkend bin ich dankbar für die schlechte Saison. Ich konnte mehr lernen als die Jahre davor, wo ich immer gut war.» Es gehe ihm um den Spass beim Skifahren, das Spiel mit der Schwerkraft, das Privileg, oft draussen in der Natur zu sein. «Es ist nicht wichtig, ob ich der 25. der Welt bin oder der Siebte. Ich muss das manchmal relativieren.»

Er ist es ohnehin gewohnt, dass einige Leute an ihm zweifeln: «Es haben schon die wenigsten daran geglaubt, dass ich mit meiner Grösse erfolgreich Slalom fahren kann», erzählt er schmunzelnd.

Nun tritt er also wieder unter der Flagge des Nationalteams an. Für Zenhäusern zwar ein Erfolg, aber «eher eine mediale Sache». Als A-Kader-Fahrer habe er die gleichen Trainingsbedingungen gehabt, die gleichen Trainer, die gleichen Voraussetzungen. «Nur mein Auto war etwas kleiner», scherzt er.

In diese Saison startet er körperlich fit und mental gereift. Er hat viel mit seinem Sportpsychologen gearbeitet. Trainiert hat er nicht nur im Schnee, sondern auch auf dem Wasser. «Ich liebe Wassersport, war viel am Meer», erzählt er, seine Augen strahlen. Für Zenhäusern mehr als ein privater Ausgleich. Auf dem Surfbrett trainiert er sein Gleichgewicht. Das braucht er mit über zwei Metern Körpergrösse beim Tanz um die engen Slalomstangen.

«Wenn ich mit meiner Grösse in Rücklage gerate, hat das viel mehr Auswirkungen als bei einem kleinen Fahrer», erklärt er. «Ich muss schauen, dass ich immer in meiner Mitte bleibe.» Der «Doppelmeter» hat auch Vorteile: Schnellkraft und Muskeln brauche er weniger, und tiefen Spuren und Rillen könne er besser ausweichen, ohne dass sein Oberkörper aus dem Gleichgewicht gerate.

Für Zenhäusern war es nie ein Thema, Abfahrer zu werden. «Ich glaube, meine Grossmütter und meine Mama wären längst vor Angst gestorben, wenn ich Abfahrer wäre», sagt er und lacht. Doch auch er selbst hat grossen Respekt vor den schnellen Fahrten in der Hocke. «Ich habe es schon ab und zu versucht, früher, als Junior. Mein Trainer Didier Plaschy meinte einst, ich sähe aus wie ein Ei auf Stelzen.» Wieder lacht er laut.

Er weiss um seine imposante Erscheinung und ist im Reinen damit, hat gelernt, seinen «Doppelmeter» erfolgreich zu nutzen. Und so will er diese Saison einfach sein Bestes geben. Resultatmässig hat er sich keine grossen Ziele gesetzt. «Im Slalom kann es so schnell gehen. Da fädelst du mal eben ein, und alles ist vorbei.» Das Hauptziel ist es, gesund zu bleiben. Und Spass zu haben. «Jedes Weltcuprennen, das ich gewinnen kann, ist ein Erfolg», meint er. Und mit 13 Slaloms stehen in dieser Saison so viele Rennen in seiner Paradedisziplin auf dem Programm wie noch nie. «Die Slalomkugel zu gewinnen, das wäre natürlich schon schön», fügt er dann doch noch hinzu. Mit 31 Jahren hat der Walliser noch einige gute Jahre als Skirennfahrer vor sich. Und er will sie alle mitnehmen.

«Solange ich Spass habe und der Körper mitmacht, stelle ich mir vor, noch lange zu fahren.» Olympia 2026 steht dabei natürlich auch auf seiner Bucketlist. Allerdings auch hier ohne grosse Ziele. «Olympia ist ein Tag, ist ein Rennen. Ich bin nicht so fokussiert darauf. Vielleicht, weil ich schon Olympiasieger bin. Ich habe eh schon viel mehr erreicht, als ich mir je erträumt hatte. Alles, was noch kommt, ist ein Supplément.»

Viel mehr will er seine Zeit auf den Ski und zwischen den Slalomstangen geniessen. «Ich konnte mein Hobby zum Beruf machen, das bedeutet mir alles.»

Von August bis April ist er in der ganzen Welt unterwegs

Dass Ramon Zenhäusern Skirennfahrer geworden ist, kommt nicht von ungefähr. Schon mit 18 Monaten stand der kleine Ramon in der Moosalpregion im Wallis zum ersten Mal auf den beiden Latten. «Mein Vater war Skilehrer und ein angefressener Skifahrer. Ich glaube, deshalb war mein erstes Wort auch ‹Schii›», resümiert er. Der Skilift, an dem er damals das Skifahren lernte, heisst inzwischen offiziell «Ramon Zenhäusern Kinderlift».

Das Wallis ist für ihn heute eher Feriendestination denn Wohnort. «Ich bin nicht mehr so oft im Wallis. Wenn ich dort bin, dann eher zum Erholen.» In der Moosalpregion besitzt seine Familie ein Chalet, wo er sich gern aufhält, Energie tankt. «Und sonst findet halt alles in der ‹Üsserschwiiz› statt», meint er lachend. Von August bis April ist er zudem in der ganzen Welt unterwegs. Für das Leben als Spitzensportler stellt er auch seinen Wunsch nach einer Familie zurück. «Eines Tages sehr gern», verrät er. «Aber nicht, wenn ich wegen der Rennen nie zu Hause bin.» Bis dahin verbringt er so viel Zeit wie möglich mit seinem Neffen und Göttibuben, dem Sohn seiner Schwester. Auch ein Masterstudium an der Fernuni Schweiz fasst er ins Auge. Den Bachelor hat er bereits in der Tasche. Doch das Studium hat keine Eile. «Vielleicht nächstes Jahr.»

Generell beschreibt sich Zenhäusern als eher «faul», wenn es um Dinge geht, deren Sinn er nicht erkennen kann. «Wenn ich aber den Sinn sehe, weiss, wieso ich etwas mache, dann kann ich brutal Einsatz zeigen.» Beim Skifahren also. Wo er oft in den Trainings einfach nicht aufhören kann. Und stur ist er ebenso. Mit seinem Sternzeichen Stier. «Das muss man auch sein, wenn man mit zwei Metern Körpergrösse Slalom fahren will.» Doch auch die Stärken seines Sternzeichens treffen auf ihn zu. Loyal, sensibel, bodenständig, geduldig, grossmütig. Seine Bodenhaftung spürt man sofort. Er lacht und scherzt, ist für jeden «Seich» zu haben.

«Ich lebe gerade sehr im Moment, lasse mich treiben.» Und trotzdem gibt es noch ein, zwei grosse Lebensträume. «Das Segelbrevet machen. Einen Katamaran mieten. In den schönsten Buchten anlegen, kiten. Fremde Kulturen kennenlernen.» Es gibt noch viel zu tun. Später. Wenn der Schnee wieder weg ist. Im Moment liegt der Fokus auf den Slalomstangen und den Bergen. Bald geht es los. Mit dem «Doppelmeter» im Nationalteam. Und mit Vollgas.

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