Am 13. Juni wird Karl Frehsner seinen 80. Geburtstag feiern. Weil er sich aber mit einem Leben als klassischen Rentner nie anfreunden konnte, stellt der gebürtige Österreicher im Ski-Zirkus nach wie vor eine feste Grösse dar.
In den Sommermonaten entwickelt und testet er die Rennanzüge der Swiss-Ski-Athleten, aktuell coacht er am Lauberhorn die Vorfahrer. Als bei der Besprechung am Dienstagabend einer der Vorfahrer bemerkt, dass er lediglich mit Abfahrts-Latten angereist sei, kontert der «eiserne Karl» eiskalt: «Das ist doch kein Problem, ein guter Skifahrer kann auch mit langen Abfahrts-Latten im Slalom vorfahren ...»
Als der gelernte Ski-Wagner in den 70er-Jahren erstmals als Trainer der Schweizer Slalom-Gruppe ans Lauberhorn gekommen ist, sind die «Zickzacker» tatsächlich noch auf 2,20 Meter lange Bretter abgefahren. Die sehr viel grösseren Erfolge hat Frehsner im Berner Oberland aber mit seinen Top-Abfahrern gefeiert. «Peter Müller war zu Beginn der 80er-Jahre die wichtigste Triebfeder in meiner Mannschaft», betont Frehsner. «Weil der extrem ehrgeizige Pitsch von den meisten Teamkollegen gehasst wurde, hat sich im Training jeder ausgekotzt, weil er besser als der Zürcher Müller sein wollte. Das war für mich als Trainer eine grossartige Zeit.»
Karate-Angst im Hotel
Wegen der kollektiven Wut auf Müller haben sich im Schweizer Mannschaftshotel aber lebensbedrohliche Szenen ereignet. «Der Waadtländer Silvano Meli gehörte nicht nur zu den besten Abfahrern der Schweiz, er war auch ein exzellenter Karatekämpfer. Und er war auf Müller besonders schlecht zu sprechen», so Frehsner. «Eines Abends kam Silvano in Wengen zu mir und sagte: ‹ Wenn mich der Müller noch länger provoziert, werde ich ihn schlagen. Aufgrund meiner Karatekünste kann ich aber nicht versichern, dass er dann jemals wieder aufstehen wird.› Zum Glück hat der Müller danach seine Ruhe gegeben – zumindest für einen Moment.»
Alle gegen Peter Müller
Zu Müllers Intimfeinden gehörte auch der Bündner Conradin Cathomen. In Frehsners Gesicht breitet sich ein spitzbübisches Grinsen aus, wenn er an den Tag zurückdenkt, an dem Cathomen Müller ein ordentliches Geschäft versaut hat. «Pitsch war in unserem Team der Erste, der Merchandising-Artikel von sich verkauft hat. Das Geschäft ist gut angelaufen, viele haben für 20 Franken ein Müller-T-Shirt oder eine Pitsch-Mütze gekauft. Aber nur um Müller zu ärgern, hat dann auch der Cathomen Fanartikel von sich herstellen lassen. Und weil er diese gratis verteilt hat, ist der Müller plötzlich auf seiner Ware sitzen geblieben.»
Vor zwei Jahren hat ein Amerikaner am Lauberhorn ein gutes Geschäft mit ganz besonderen Fotos von Frehsner gemacht. «Da hat es in Wengen heftig geschneit, und die Sicht bei der Pistenbesichtigung war beschissen. Darum bin ich auf dem Weg zum Hundschopf abgeflogen und unmittelbar vor die Füsse eines Co-Trainers des amerikanischen Teams gefallen. Ich habe ihn um Hilfe angefleht. Aber bevor er mir auf die Beine geholfen hat, hat er mich im Schnee liegend fotografiert, damit er die Bilder für ein paar Hundert Franken den Sonntagszeitungen verkaufen konnte.»
Seinen letzten Lauberhorn-Sieg als Cheftrainer hat der Mann, der als Coach 53 WM- und Olympiamedaillen errungen hat, 2003 mit Bruno Kernen erarbeitet. Der Abfahrts-Weltmeister von 1997 hat den angeblich so eisernen Karl von einer unerwarteten Seite kennengelernt: «Vor der Saison 2002/03 hat sich Karl bei mir nach meinen Zielen erkundigt. Ich habe ihm gesagt, dass ich auf dem Podest landen würde. Daraufhin hat Frehsner den Kopf geschüttelt und gesagt: ‹Du bist wirklich ein dummer Hund! Weil du zurzeit in der Weltrangliste nur 13. bist, solltest du jetzt nicht an Podestplätze denken. Schau, dass du erst einmal wieder in die Top 10 kommst.›»
Für Kernen war dieser Satz ausschlaggebend für ein erfolgreiches Comeback: «Karl hat so mit diesen Worten im genau richtigen Moment viel Druck von mir genommen. Entsprechend gelöst bin ich ein paar Monate später am Lauberhorn zu Werke gegangen.»
Janka fährt unten ohne
Eine besondere Beziehung hatte Frehsner auch zu Carlo Janka. «Bei den Tests im Windkanal haben wir festgestellt, dass Carlo ohne Unterwäsche am schnellsten fährt. Er hat meinen Ratschlag anfänglich beherzigt und die Lauberhorn-Abfahrt 2010 unten ohne gewonnen.»
Kurz darauf sei der «Iceman» dann aber aus Frehsners Testteam ausgetreten und danach ein paar Jahre mit Unterwäsche gefahren. «In dieser Phase hat Janka dann aber auch immer weniger Erfolge erzielt. Im Winter 2015 habe ich ihn daran erinnert, dass er ohne Unterwäsche am schnellsten sei. Carlo hat sich das zu Herzen genommen und in diesem Jahr die Super-Kombination am Lauberhorn gewonnen.»
In diesem Jahr verfehlt Frehsners nackter Input allerdings seine Wirkung: Obwohl Janka wieder ohne Unterwäsche fährt, bleibt die Top-Platzierung aus.