Michelle Gisin, wie feiern Sie Ihren 26. Geburtstag?
Michelle Gisin: Gar nicht (schmunzelt).
Sie sind voll im Tunnel?
Ja. Ich freue mich unglaublich auf die drei Rennen in Lake Louise. Es ist an der Zeit, dass es mit der Speed-Saison losgeht.
Wie geht es Ihnen?
Ich bin leicht erkältet, aber das tönt schlimmer, als es ist. Alles ist bestens.
Sie hoffen seit dem Beginn Ihrer Karriere vergebens, an einem Renntag Geburtstag zu haben. Warum eigentlich?
Vielleicht genau, weil es noch nie der Fall war. Es würde mich sehr freuen, wenn es einmal klappen würde.
In Lake Louise wurden Sie letzte Saison Zweite und Dritte. Ein Sieg wäre das schönstmögliche Geburtstagsgeschenk.
Auf jeden Fall. Ich werde mich bemühen!
Welche Bilanz ziehen Sie nach den ersten vier Rennen der Saison?
Ich hätte nie gedacht, dass ich nach vier technischen Rennen auf Platz vier liegen würde. Das ist sensationell.
Viele Ihrer Speed-Konkurrentinnen sind ausgeruhter. Ist das für Sie ein Problem?
Wenn ich viele Rennen fahre, gibt mir das eine Lockerheit. Ich mag diese Abwechslung. Klar, es ist anstrengender, ein Rennen zu fahren, als zu trainieren – aber es ist auch cooler. Ich liebe das.
Sie wollen die schnellste Frau der Welt werden.
Mein Ziel ist der Gewinn des Abfahrts-Weltcups – also kann ich das unterschreiben, ja. Aber ich muss etwas ergänzen ...
… Bitte!
Ich sage nicht, dass ich es schaffen werde. Es ist mir bewusst, dass es viel dafür braucht – auch ein Päckchen Glück.
Haben Sie keine Angst, dass man Ihnen die Aussage um die Ohren hauen könnte?
Wieso soll ich meine Ziele nicht formulieren? Ich will das Ganze nicht mystifizieren. Den grössten Druck mache ich mir sowieso selbst. Es ist möglich, dass ich hinterher gurke. Aber ich mache alles, um parat zu sein.
Was stimmt Sie optimistisch?
Ich habe ein perfektes Umfeld. Und dank meiner Erfolge – auch bei Olympia – gehe ich anders als früher an die Sache ran. Ich habe in meiner Karriere schon viel erlebt – Positives und Negatives.
Der Horrorsturz Ihres Bruders Marc hat Sie stark beschäftigt, oder?
Durch Marcs Verletzung habe ich viel gelernt, sie hat vieles in Relation gesetzt. Heute weiss ich: Wenn ich jeden Tag mein Bestes gebe, muss ich mir nichts vorwerfen.
Neben Podestplätzen erlebten Sie in Lake Louise auch schon einen Schreckmoment.
Im letzten Jahr bei der ersten Abfahrt schoss ich im «Fall Away» bei hundert Stundenkilometern rechts runter und war plötzlich nur noch einen Meter vom Netz weg. Da erschien mir meine Mutter vor dem geistigen Auge. Sie rief mir zu: «Steh nun gefälligst auf den Aussenski!»
Sie haben gehorcht?
Sicher! Und ich habe das Tor sogar noch regulär passiert und wurde noch Achte – darauf bin ich stolz.