Foto: zVg

Horrorunfall von Skitalent in Saas-Fee
Jetzt spricht der Vater: «Es ist ein unfassbarer Albtraum»

Ein tragischer Unfall an einem Bügellift in Saas-Fee VS hat das Leben des kanadischen Skitalents Lily Kunstadt dramatisch verändert. Sie erlitt schwere Verletzungen und hat nur eine dreiprozentige Chance, wieder gehen zu können. Jetzt spricht Vater Eric über den Schock.
Publiziert: 20.09.2024 um 09:41 Uhr
|
Aktualisiert: 20.09.2024 um 11:17 Uhr
1/6
Schwer verunglücktes Skitalent aus Kanada: Lily Kunstadt (hier 2023 bei einem Rennen in Sugarloaf) verletzte sich bei einem Horror-Zwischenfall an einem Bügellift in Saas-Fee erheblich.
Foto: zVg

Auf einen Blick

  • Lily Kunstadt (13) verletzte sich in Saas-Fee schwer
  • Die Kanadierin hat kein Gefühl mehr in den Beinen
  • Crowdfunding-Ziel von 300’000 kanadischen Dollar übertroffen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
RMS_Portrait_AUTOR_1046.JPG
Matthias DubachLeiter Reporter-Pool Blick Sport

Zwar befindet sich Eric Kunstadt rund 6000 Kilometer von der Schweiz entfernt. Doch was der Kanadier am Telefon erzählt, geht nahe. «Es ist alles ein unfassbarer Albtraum», sagt Kunstadt.

Eric Kunstadt ist der Vater des kanadischen Skitalents Lily Kunstadt (13), das Ende August im Sommer-Schneetraining in Saas-Fee VS bei einem Horrorunfall am Bügellift schwer verunglückte. Der Teenager wurde in Lausanne sieben Stunden lang operiert. Wirbelbrüche, Rippenbrüche, Gesichtsverletzungen, Lähmungserscheinungen, Intensivstation.

Mittlerweile liegt Lily Kunstadt in ihrer Heimatstadt Ottawa im Children’s Hospital of Eastern Ontario, einem grossen Kinderspital.

Nachdem die Rückenmarkverletzung bereits in Lausanne besorgniserregend ausgesehen hatte, mussten nun die kanadischen Ärzte die brutale Botschaft aussprechen. «Gestern sagten sie es uns zum ersten Mal klar. Es gibt nur eine dreiprozentige Chance, dass sich Lily erholt und wieder gehen kann. Drei Prozent, das ist fast null. Das ist verdammt hart und unglaublich schwer zu akzeptieren.»

Crowdfunding läuft erfolgreich

Der Kopf des Teenagers blieb heil. Doch dem Vater stockt die Stimme, als er schildert: «Sie hat kein Gefühl vom Bauchnabel abwärts, keine Kontrolle über Blase oder Darm. Es ist noch immer unfassbar.»

Lily Kunstadt war ein hoffnungsvolles Skitalent, doch nun muss sie sich mit gerade mal 13 Jahren in ein neues Leben zurückkämpfen. Ihr tragisches Schicksal wurde vergangene Woche bekannt, weil die Familie und Mitglieder ihres Skiklubs ein Crowdfunding lancierten. Die ursprünglich erhofften 300’000 kanadischen Dollar wurden bereits übertroffen, der Zähler steht schon bei 346’000, das sind umgerechnet rund 216’000 Franken. «Die Unterstützung ist überwältigend, wir sind extrem dankbar.»

Die Nachricht vom fatalen Bügellift-Unfall macht die Skiszene enorm betroffen. Italiens Ex-Skistar Karen Putzer, jetzt im OK der Winterspiele in Cortina/Mailand 2026 und in Lausanne wohnhaft, kam im Spital zu Besuch. Und selbst die US-Stars Lindsey Vonn und Mikaela Shiffrin hätten sich am Crowdfunding beteiligt und zum Spenden aufgerufen. Wie auch Kanadas Skiheld Erik Guay, der als Coach von Kunstadts Talente-Gruppe in Saas-Fee dabei war und Erste Hilfe geleistet habe, erzählt Papa Kunstadt, der in der Heimat ein Sportgeschäft führt.

Doch jetzt wird er unfreiwillig zum Bauherrn im Haus, das die fünfköpfige Familie bewohnt. Lily hat mit Levi (12) und Elijah (9) zwei jüngere Brüder. Papa Kunstadt: «Wir müssen unser Haus behindertengerecht umbauen.»

Warum war der Bügel defekt? Walliser Staatsanwaltschaft ermittelt

Über den Unfall selbst spricht Kunstadt nicht, «auch wenn ich gern würde». Man spürt: Die Art und Weise des «crazy accident» macht ihm enorm zu schaffen. Doch er muss wegen der laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wallis schweigen. Kunstadt war als Materialbetreuer der Trainingsgruppe in Saas-Fee dabei, musste alles mitansehen. Ein defekter Bügel, der talwärts fuhr, verhedderte sich offenbar derart unglücklich mit dem bergwärts fahrenden Bügel der Kanadierin, dass sie durch die Luft katapultiert wurde und verhängnisvoll auf den Boden prallte. Horrorsturz am Bügellift. Der eigentlich fast unvorstellbare Unfall wirft Fragen auf, momentan laufen noch immer Zeugenbefragungen.

Für Kunstadt ist das nicht nur wegen der Distanz alles weit weg. Seit er mit seiner Tochter im Helikopter nach Lausanne sass, ist seine Welt eine andere. «Danach meine Frau in Kanada anzurufen, war der schlimmste Anruf meines Lebens.» Mama Shannon reist in die Schweiz, die Eltern weichen in Lausanne nicht von Lilys Seite.

Erst vergangenen Sonntag war der Rücktransport nach Kanada möglich. Ein Ambulanzjet, ausgelegt für den Transport von Patienten auf der Intensivstation, holte das Skitalent im Waadtland ab. Papa Kunstadt entscheidet sich kurzfristig, mit einem normalen Linienflug heimzureisen und die Tochter von seiner Frau begleiten zu lassen. «Es war ein kleiner Flieger. Mit einer Person weniger war es mit dem Treibstoff weniger heikel», schildert der Vater. Der Jet musste dennoch in Island und in einer Kleinstadt im Norden Kanadas zweimal auftanken.

In die Schweiz gereist ist Lily Kunstadt als grosses Alpintalent, dem die Tore zur Skiwelt offenzustehen schienen. Die Schweiz verlassen hat sie als Pflegefall. Wegen eines defekten Bügels in Saas-Fee.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?