Im hohen Norden starten auch die Slalom-Cracks zur Weltcup-Punkte-Jagd. Für einen Fahrer ist der Kampf um Hundertstelsekunden aber völlig zweitrangig: Mattias Hargin (31). Der schwedische Kitzbühel-Sieger von 2015 braucht die Skirennen, um das zu verarbeiten, was er einen «Albtraum» nennt.
Blicken wir zurück. Ende April ist das Glück für Hargin perfekt. In Engelberg heiratet er seine grosse Liebe Matilda Rapaport, eine erfolgreiche Freeski-Fahrerin. Es regnet. Das ist egal. Mattias und Matilda sind nach dem Ja-Wort überglücklich. So sehr, dass sie auch beim Hudelwetter noch in ihrem liebsten Element stehen – im Schnee.
Weniger als drei Monate später ist alles anders! Auf einen Schlag. Matilda wird bei Dreharbeiten für einen Freeski-Promotionfilm in Chile von einem Schneebrett erfasst. 30 Minuten liegt sie bis zur Bergung ohne Sauerstoff unter der Schneemasse. Im Spital in Santiago wird sie ins künstliche Koma versetzt. Ihr Zustand ist kritisch.
Hargin und Matildas Mutter fliegen sofort zu ihr. Er verbringt jede Sekunde am Bett seiner Frau, tagelang hofft er auf eine positive Nachricht der Ärzte. Doch diese kommt nicht. Matilda wacht nicht auf. Sie stirbt, erst 30-jährig, an den Folgen des Unglücks.
«Es war wichtig, dort und mit ihr zu sein, bevor Matilda ging», blickt Mattias Hargin kurz vor dem Saisonstart zurück. «Das, was uns am meisten verbunden hat, hat mir meine Frau genommen.» Der Schnee, die Berge, das Skifahren.
Früher ohne Mentaltrainer unterwegs, beansprucht Hargin seit dem Schicksalsschlag psychologische Hilfe. Er findet diese ausgerechnet bei Matildas früherer Mental-Trainerin. «Vor allem die Bilder von der Hochzeit anzusehen, schmerzt unendlich», gibt Hargin offen zu. Der Rücktritt sei ein Thema gewesen. Rasch merkt er: «Wir haben so viel geteilt, vor allem die Liebe zum Skifahren. Deshalb habe ich begriffen, dass es richtig ist, weiterzufahren.»
Wenn sich Hargin am Sonntag aus dem Starthaus von Levi katapultiert, dreht sich in seinem Leben längst nicht mehr alles um den schnellsten Weg durch den Stangenwald. «Ich sehe das Skifahren nun etwas anders», sagt er nach der schwierigen Zeit. «Ich fühle jetzt, dass Matilda die ganze Zeit bei mir ist.»