Der fünffache Gesamtweltcupsieger Marc Girardelli (59) verknüpft einige sehr schmerzhafte Erinnerungen mit Pirmin Zurbriggen (40 Weltcup-Einzelsiege). «Den grössten Teil meiner Verletzungen habe ich wegen Pirmin erlitten!»
Wie bitte? Der gebürtige Vorarlberger, der seine gigantischen Erfolge nach Unstimmigkeiten mit dem ÖSV für Luxemburg herausgefahren hat, liefert die Erklärung: «Pirmin hat mich mit seiner genialen Fahrweise an die absolute Grenze getrieben. Oft musste ich übers Limit hinausgehen, um zeitlich mit ihm mithalten zu können. Und deshalb bin ich eben auch ein paarmal heftig gestürzt.»
Dabei hat dieses beinharte Duell ziemlich witzig angefangen. «Wir sind uns erstmals Ende der 1970er Jahre bei einem internationalen Kinderrennen im italienischen Monte Bondone begegnet», erinnert sich Girardelli. «Ich war nach diesem Rennen richtig sauer, weil ich vom Schweizer Joel Gaspoz ziemlich deutlich auf den zweiten Rang verwiesen wurde.
Bei der Siegerehrung stieg dann aber nicht der dunkelhaarige Gaspoz, sondern ein hagerer Blondschopf auf das oberste Treppchen. Es war Pirmin, der seinen Walliser Kumpel bei der Preisverteilung vertreten hat, weil Joel unmittelbar nach seinem Sieg die Heimreise angetreten hat.»
Es sollte nicht lange dauern, bis die beiden Jahrgänger regelmässig im Weltcup zusammen aufs «Stockerl» gestiegen sind. Von 1984 bis 1991 hiess der Gesamtweltcupsieger entweder Girardelli oder Zurbriggen. «Pirmin und ich waren damals in dieser Wertung praktisch konkurrenzlos. Selbst wenn wir uns beide im Januar schwer verletzt hätten, hätte im März einer von uns beiden die grosse Kugel gewonnen.»
Neben der Piste sind sich die beiden Ausnahme-Athleten in ihrer sportlichen Blütezeit aus dem Weg gegangen. «Ich konnte lange mit Pirmin als Mensch nicht viel anfangen, wir haben in unserer Aktivzeit nur wenige Sätze ausgetauscht.
Zurbriggen posierte mit Girardellis Kugel
Rückblickend betrachtet, ist der Mann aus der Region Lustenau dem Oberwalliser aber unendlich dankbar. «Ich bin eigentlich ein sehr phlegmatischer Mensch. Deshalb hätte ich niemals so viele Erfolge feiern können, wenn es diesen Zurbriggen nicht gegeben hätte. Pirmin war mein gewinnbringendes Feindbild. Durch ihn wurde ich dazu gezwungen, jeden Tag knallhart an mir zu arbeiten.»
Zurbriggen hat umgekehrt aber auch von Girardelli profitiert. 1987 hat sich der vierfache Gesamtweltcupsieger und Weltmeister sogar mit einer Kugel seines grössten Rivalen geschmückt.
Girardelli erzählt die ganze Geschichte: «Ich hatte damals in Vorarlberg ein Hotel und fühlte mich total geehrt, als eines Tages die Familie Zurbriggen bei mir zum Mittagessen erschienen ist. Quasi zum Dessert habe ich dann den wahren Grund für diesen Überraschungssieger-Besuch erfahren: Pirmin hatte ein Fotoshooting bei seinem damaligen Ausrüster, der Vorarlberger Ski-Firma Kästle. Und weil er die grosse Kristallkugel im Wallis vergessen hatte, musste er sich für dieses Shooting eine Kugel bei mir ausleihen.»
Auf dem Golfplatz wurden sie Freunde
Richtig herzlich ist das Verhältnis zwischen den einstigen Alpin-Feinden seit den frühen 2000er Jahren. «Ich glaube, es war im Sommer 2004, als ich von Pirmin eine Einladung zu seinem Golfturnier erhalten habe. Dort habe ich dann in einem sehr tiefgründigen Gespräch gemerkt, dass mein einstiges Feindbild in Wahrheit ein wunderbarer Mensch ist.»
Am Samstag will Girardelli per Telefon dem Abfahrts-Olympiasieger von 1988 zum 60. Geburtstag besonders herzliche Glückwünsche übermitteln. Bei dieser Gelegenheit will Marc dem Jubilar auch mitteilen, «dass ich heute sehr stolz darauf bin, dass ich der stärkste Widersacher von einem derart aussergewöhnlichen Athleten sein durfte. Alles Gute, lieber Pirmin».
Der Jubilar selber freut sich über die Glückwünsche seines einstigen Erzrivalen. Aber er zieht es vor, seinen runden Geburtstag unkommentiert und in aller Stille zu feiern.