Das Leben nach dem Spitzensport ist für viele Athleten eine Herausforderung. Plötzlich hat man viel Zeit, ist nicht mehr in den Medien präsent, weiss nicht was tun. Nicht so für Maria-Höfl-Riesch!
Schon bei ihrem Rücktritt vor zwei Jahren wusste die heute 32-jährige Deutsche, dass sie nicht in ein Loch fallen würde. Seit jeher ist die dreifache Olympia-Goldmedaillengewinnerin und zweifache Weltmeisterin unter anderem Ski-Expertin bei der ARD, hat eine eigene Kleiderkollektion, ist Fitness- und Lifestyle-Expertin und leitet Kurse auf Kreuzfahrtschiffen. Ach ja: Zuletzt kam ihr neues Buch, «Maria macht dich fit», auf den Markt.
Maria Höfl-Riesch, an wen richtet sich Ihr neues Buch?
Maria Riesch: Es ist ein Buch für jedermann. Also sportlich aktive Personen, aber auch für Leute, die sich mit Sport schwer tun und sich nicht aufraffen können. Sowohl für Einsteiger als auch für Fortgeschrittene sind Übungen dabei – diese kann man individuell anpassen.
Als Ski-Expertin verfolgen Sie den Weltcup ganz genau. Haben Sie noch Kontakt zu Lindsey Vonn, mit der Sie zu ihrer Aktivzeit gut befreundet waren?
Ja, wir hören uns regelmässig und sind nach wie vor Freundinnen.
Dann wussten sie im Gegensatz zu allen Journalisten, dass sie sich schwerer verletzt hatte als angenommen?
Ja. Lindsey hat sich bedeckt gehalten, wollte nicht, dass etwas da durchdringt.
Bei ihrem Oberarmbruch wurden auch Nervenbahnen verletzt. Trotzdem ist Vonn bereits zurück im Weltcup. Ist das sinnvoll?
Das ist schon sehr mutig, aber sie kann das Risiko selber am allerbesten einschätzen. Sie will möglichst viel Rennpraxis sammeln. Platz 13 in Altenmarkt-Zauchensee war ganz ok, aber sie hat natürlich noch Steigerungspotential.
Wie viel?
Ich glaube, es wird nicht lange dauern – wenn der Arm mitspielt – bis sie wieder ganz vorne mitmischt.
Wer wird den Gesamtweltcup gewinnen: Lara Gut oder Mikaela Shiffrin?
Im Moment ist Shiffrin punktemässig weit vorne, aber es wurden weitaus weniger Speed-Bewerbe durchgeführt. Trotzdem: Shiffrin ist im Slalom und Riesenslalom enorm stark. Lara ist auch in einer guten Form, aber man sieht schon, dass ihr ein bisschen die Konstanz fehlt. Manchmal hat sie ihre «Wackler», macht einen Nuller. Shiffrin dagegen gewinnt fast jeden Slalom, das gibt jedes Mal 100 Punkte. Ich denke, dass Shiffrin leicht im Vorteil ist.
Shiffrin ist erst 21 Jahre alt. Hat sie die Energie, um bis zum Ende durchzuziehen?
Körperlich ist sie trotz ihres Alters bereits wahnsinnig weit. Sie hat sicher keine schlechtere Fitness als Mädels, die schon länger dabei sind. Kommt dazu, dass Shiffrin einen unglaublich ökonomischen Fahrstil hat – alles ist spielerisch, locker, leicht. Sie fährt mit wenig Kraftaufwand, aber mit viel Gefühl.
Wie sehen Sie die Entwicklung von Gut in den letzten Jahren?
Lara war ja das kleine Wunderkind, wurde dann durch Verletzungen zurückgeworfen, welche sie ausgebremst haben – das ist normal aus meiner Sicht. Sie hat sich super stabilisiert, hat in den letzten Jahren auch körperlich nochmals einen Riesenschritt gemacht. Man sieht, dass sie noch muskulöser geworden ist und die Saison besser durchsteht. Wenn sie jetzt noch konstanter wird, dann ist sie endgültig der Top-Star.
Lara erzählte, dass ihr die Zeit als Skifahrerin bis zu ihrem 22. Geburtstag wie ein «schwarzes Loch» vorgekommen sei. Sie dachte an Rücktritt. Kömnne Sie das als Ex-Skifahrerin nachvollziehen?
Auf jeden Fall. Bei Lara kam am Anfang noch die Abkapselung vom Verband dazu. Diese Extrawurst wurde ihr sehr negativ ausgelegt. Mittlerweile hat man da einen guten Weg gefunden, sie kann mit einer gewissen Individualität trainieren, ist aber trotzdem im Team von Swiss Ski integriert. Lara hat Ambitionen im Gesamtweltcup und in drei Disziplinen – da braucht sie auch ein Stück weit eine individuelle Betreuung. Das ist bei allen Superstars so, die ganz vorne mitfahren.
Lara Gut polarisiert oft, weil sie ihre Meinung klipp und klar sagt. Zuletzt in Semmering erklärte sie, dass die FIS mit der Gesundheit der Athletinnen spielt. Was denken Sie dazu?
Ich finde es richtig, dass Lara das thematisiert. Ob es was bringt, ist die andere Frage. Das haben schon viele versucht, gerade bei fragwürdigen Rennen. Im Endeffekt hört die FIS nicht wirklich zu.
Müsste Gut das nicht intern ansprechen, anstatt im TV?
Der Weg über die Öffentlichkeit ist das einzige Druckmittel, das man hat. Intern seine Meinung zu sagen – das interessiert einfach keinen.
Sie selbst haben pratkisch alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Einzig die Goldmedaille bei Ihrer Heim-WM in Garmisch-Partenkirchen 2011 blieb Ihnen verwehrt. Denken Sie, dass Lara Gut ihrerseit «zu Hause» in St. Moritz Weltmeisterin werden kann?
An einer WM muss alles zusammenpassen: Form, Wetter, Material. Man kann alle Voraussetzungen für einen perfekten Tag schaffen. Aber alles ist nicht beeinflussbar.
Anders gefragt: Kommt Lara mit dem riesigen Druck klar?
Ja. Sie ist schon lange dabei, hat viele schwierige Situationen meistern müssen. Eine WM im eigenen Land ist schon noch einmal eine besondere Drucksituation. Aber Lara wird damit umgehen können.