Am Freitagmittag fasste Corinne Suters Freund Angelo einen Entscheid: Obwohl er derzeit selber mit Arbeit zugedeckt ist, nimmt er die 564 Kilometer zwischen Flüelen und Zauchensee unter die Räder. Nach sechs Stunden erreicht der Versicherungsexperte spätabends sein Ziel.
Am Tag darauf erlebt er, wie seine Herzensdame in der Abfahrt auf Rang 7 fährt. «Sie war im ersten Moment enttäuscht. Aber es gibt nicht viele Fahrerinnen, die sich nach einem solchen Zwischenfall so gut im Rennen halten», sagt er. Was er meint: Suter verlor bei einem Sprung den Aussenski und rettete sich mirakulös – der Podestplatz war trotzdem futsch.
Dank Liebes-Trip den Frust vergessen
Gut 24 Stunden später holt Suter beim Super-G am Gamskogel Verpasstes nach, sie wird hinter Federica Brignone (It) Zweite. «Ich sagte mir vor dem Start: Diese Chance packe ich! Und genau das habe ich getan, ich bin überglücklich.» Doch wie schaffte sie es, den Frust des Vortages wieder in positive Energie umzumünzen? Angelo spielt dabei eine grosse Rolle. Er erzählt: «Nach der Abfahrt habe ich ihr gesagt: Komm, wir fahren runter nach Altenmarkt und geniessen die Sonne.»
Gesagt, getan. Das Liebespaar gönnte sich ein Thai-Curry auf der Terrasse eines Restaurants. «Es war sehr fein. Aber viel wichtiger war, dass ich Zeit mit Angelo verbringen konnte. Es bedeutet mir extrem viel, dass er extra für mich angereist ist. Angelo kommt auch, wenn es nicht so gut läuft – das zeichnet ihn aus. Gerade in solchen Zeiten ist es wichtig, dass man sein Umfeld um sich hat.»
«Rennen nur kurz ein Thema»
Angelo meint: «Wir haben nur kurz über das Rennen gesprochen. Da ist Corinne bei ihren Trainern sowieso besser aufgehoben. Ich bin fürs Gemüt da, nehme sie in den Arm. Wir reden über alles andere, damit sie abschalten kann.»
Den Super-G verfolgte Angelo dann aus sicherer Distanz, mit Maske und weit weg von allen Skitouristen. «Das ist nicht das Gleiche wie früher, aber in Corona-Zeiten riskieren wir nichts. Und riesig gefreut habe ich mich auch so», sagt er. Tatsächlich fühlt sich der Podestplatz für Suter wie eine Befreiung an. Nach den Rängen 17, 21, 26 und 6 brauchte sie genau ein solches Top-Resultat.
«Stimmt. Am meisten freue ich mich, dass ich wieder angreife, meine Körpersprache ist besser. Es geht nun in Richtung Peking – da ist es wichtig, dass ich in Form komme», so die Abfahrtsweltmeisterin.
Während Suter sich freut, ärgert sich Top-Favoritin Lara Gut-Behrami. Die Tessinerin wird nur Zehnte. «Ich habe mich zu wenig getraut, man hätte viel frecher fahren können», sagt sie. Damit endet eine beeindruckende Serie: In den vorangegangenen acht Super-G, die sie beendete, war Gut-Behrami nie schlechter als Zweite.