Foto: Sven Thomann

Gefährlicher Job im Ski-Zirkus
Wenn Amateure als Vorfahrer über die Streif schiessen

Vorfahrer auf der Streif gehört zu den gefährlichsten Jobs im Ski-Zirkus. Der Verwegenste dieser Zunft hat sich letzte Woche schwer verletzt.
Publiziert: 22.01.2025 um 23:52 Uhr
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Letzte Woche hat sich Hofer das Knie schwer verletzt.
Foto: Sven Thomann

Auf einen Blick

  • Nicolas Hofer sorgte 2017 für Aufsehen: Er raste als Vorfahrer halbnackt die «Streif» herab
  • Doch Hofer hat sich schwer verletzt, Vorfahrer-Job ist riskant und schwierig zu besetzen
  • 22-jähriger Kilian Boeck als neuer Vorfahrer für die Hahnenkamm-Abfahrt ausgewählt
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Marcel W. PerrenSki-Reporter

Es ist die aussergewöhnlichste Aktion in der Hahnenkamm-Geschichte: Im März 2021 steht der Tiroler Nicolas Hofer ohne Helm und mit nacktem Oberkörper am Start der berüchtigtsten Abfahrt der Welt. Der damals 18-Jährige, der ein paar Wochen zuvor bei den Weltcuprennen in Kitzbühel (Ö) sein Debüt als Vorfahrer gegeben hat, trägt an diesem Tag lediglich Shorts, einen Schal und eine Baseball-Mütze.

Halbnackt über die berüchtigtste Abfahrt der Welt

In diesem aufreizenden Outfit schiesst Hofer tatsächlich über die Streif. «Das war eine spontane Aktion», sagt er damals zu Blick. «Mein Kollege und ich haben an diesem Vormittag zuerst ganz seriös trainiert. Weil die Temperaturen so hoch waren, haben wir uns für diesen Streifzug in kurzen Hosen entschieden.»

Hier rast Hofer (18) halbnackt die Streif runter!
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«So gstöad oida»:Hier rast Hofer (18) halbnackt die Streif runter!

Richtig brenzlig wurde es bei dieser ungewöhnlichen Abfahrt nur einmal: «Der obere Streckenabschnitt ist nach wie vor ziemlich vereist, und die Steilhang-Ausfahrt habe ich wirklich nur ganz knapp erwischt. Ansonsten kam die Fahrt aber einem ziemlichen Genuss gleich.»

Eigentlich war für das kommende Wochenende Hofers Rückkehr auf die Streif geplant – in voller Rennfahrer-Montur wollte der kompromisslose Draufgänger aus dem Kitzbüheler Vorort Oberndorf im Super-G und in der Abfahrt als Vorfahrer die optimale Spur für die Top-Stars kreieren. Doch daraus wird nichts, denn letzte Woche erlitt Hofer bei einem Europacup-Rennen einen Schien- und Wadenbeinbruch.

Kobra-Polizist stürzte schwer

Peter Eder, der in Kitzbühel seit vielen Jahren für die Rekrutierung und Betreuung der Vorfahrer zuständig ist, musste somit kurzfristig Ersatz suchen. Und geeignete Vorfahrer für die Hahnenkamm-Abfahrt zu finden, gehört zu den schwierigsten Aufgaben im Ski-Zirkus. Der ÖSV stellt junge Kader-Athleten für diese Aufgabe selten bis nie zur Verfügung, weil das Verletzungsrisiko als zu hoch taxiert wird. Deshalb ist Eder auf fähige Abfahrer angewiesen, die keinen Kader-Status besitzen.

Weil solche äusserst rar sind, hat der ehemalige Hahnenkamm-Rennleiter Axel Naglich vor ein paar Jahren ein Vorfahrer-Casting organisiert. «Das war jedoch ein totaler Reinfall», gesteht Eder. «Da hat es eine Frau gegeben, die ihren über 50-jährigen Mann für das Casting angemeldet hat, weil sie ihm zum Hochzeitstag etwas Besonderes schenken wollte.» Eder macht mit einem Beispiel deutlich, dass der Vorfahrer-Job in Kitzbühel keine Romantik beinhaltet. «Ich habe einmal einen Burschen rekrutiert, der hauptberuflich als Polizist bei der Sondereinheit Cobra im Einsatz war. Leider ist er bei der Steilhang-Ausfahrt derart schwer gestürzt, dass er heute nicht mehr wie früher eingesetzt werden kann. Er arbeitet jetzt im Innendienst.»

«Da klopfst du keine grossen Sprüche mehr!»

Ende der 90er-Jahre wollte auch der heutige FIS-Präsident Johan Eliasch auf der Streif vorfahren. «Aber Eliasch war mit der Mausefalle und dem Steilhang derart überfordert, dass er von unserem damaligen Rennleiter Toni Sailer abgewunken werden musste», erinnert sich der Chef der Kitzbüheler Vorläufer.

Eder ist froh, dass er in diesem Jahr mit Kilian Boeck den perfekten Mann für diese besondere Aufgabe entdeckt hat. Der Vorarlberger hat einen besonderen Schweiz-Bezug: «Mein Firm-Götti ist Chris Lödler, Servicemann von Marco Odermatt. Ich habe schon mehrere Testtage für das Stöckli-Team absolviert.» Der 22-Jährige hat bis vor zwei Jahren FIS- und Europacup-Rennen bestritten. «Es war immer mein grosser Traum, dass ich eines Tages in Kitzbühel die Abfahrt gewinne. Aber dann musste ich feststellen, dass ich als Rennfahrer keine grosse Perspektive habe.»

Mittlerweile studiert Böck in Wien Maschinenbau. Aber die Faszination Streif hat ihn nie losgelassen. Deshalb sagte er sofort zu, als er das Angebot für den Einsatz als Vorfahrer erhielt. «Ich habe mich den ganzen Sommer darauf gefreut.»

Bei der ersten Streckenbesichtigung wich die Freude dann aber ganz schnell dem bitteren Ernst. «Wenn du das erste Mal in die extrem steile Mausefalle schaust, klopfst du keine grossen Sprüche mehr», gesteht Boeck. Entsprechend laut war der erlösende Schrei, als Kilian nach der ersten Trainingsfahrt ins Ziel kam. «Letztendlich war die Streckenbesichtigung schlimmer als meine erste Fahrt über diese Piste. Es war ein richtiger Genuss. Auch deshalb, weil die Streif derzeit nicht so eisig ist, wie in anderen Jahren.» 

Dass die Tätigkeit des Vorfahrers aber auch auf der «weichen Streif» knallhart ist, wird im zweiten Training durch den Sturz von Hannes Endstrasser in der Mausefalle deutlich. Der Salzburger kommt jedoch ohne gravierende Verletzungen davon.

Flugzeug brettert in Kitzbühel über Piste ins Ziel
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