Cortina präsentiert sich wie im Bilderbuch. Optimal für den Super-G. Als Elfte katapultiert sich Dominique Gisin aus dem Starthaus. «Auf diesem sechsten Platz kann ich aufbauen», hat sie noch am Sonntag nach der Abfahrt gesagt. Bis zur Rennmitte läufts perfekt, lediglich drei Fahrerinnen sind schneller.
Dann der Schock: Nach einer Kurve verschlägts ihr den linken Ski, beim Rettungs-Reflex steigt sie sich selbst auf den rechten. Schon liegt Dominique im Schnee. Sie fährt zwar selbst ins Ziel und sagt dort: «Es hat mir das rechte Knie verdreht. Ich hoffe, dass nur die Muskulatur verspannt ist.» Vom Swiss-Ski-Physio wird Dominique zum MRI nach Zürich gefahren.
Um 22.26 Uhr die Hammer-Diagnose: unverschobener Schienbeinkopf-Bruch! Saison-Ende! WM ade! Karriereende? Zumindest sechs bis acht Wochen Pause.
Seit Karriere-Beginn Stammgast im OP Die Operation, die folgt, ist für Dominique leider Routine. Noch als sie Anfang Dezember zur Schweizer Sportlerin des Jahres gekürt worden ist, sagt sie: «Das ist die Belohnung für mein verrücktes Leben.»
Schon nach ihren ersten FIS-Einsätzen 2001 setzen mehrere Knie-Operationen die Engelbergerin fast drei Jahre ausser Gefecht. Im Februar 2005 wird sie Abfahrts-Vierte bei der Junioren-WM, und im Dezember des gleichen Jahres fährt sie Trainings-Bestzeit vor der Weltcup-Abfahrt in Lake Louise. Im Rennen stürzt sie, reisst sich dabei das Innenband am rechten Knie.
Der nächste Knacks im Februar 2007 beim Training in Tarvisio: Kreuzband- und Innenbandriss links, Innenbandanriss rechts. Operation Nummer 7. Im Januar 2010 wird ein Meniskusriss arthroskopisch «repariert». Vier Wochen später kommt durch den Sturz bei der Olympiaabfahrt in Whistler eine Hirnerschütterung dazu. Meniskus- und Knorpelverletzung im linken Knie beenden auch die Saison 2012 vorzeitig – auch damals passierts in Cortina ...
Siege und Olympia-Gold trotz grosser Pechserie Das Verrückteste an Dominiques Geschichte: Trotz ihrer Pechserie lacht sie siebenmal von einem Weltcup-Podest, davon dreimal als Siegerin. Und strahlt vor elf Monaten in Sotschi mit Abfahrts-Olympiagold.
Das war einmal – Gisins Karriere-Ende ist nach dem jüngsten Crash von Cortina gut möglich. Irgendwann wird es auch der stärksten Frau zu viel. Heute wird entschieden, wie es medizinisch weitergeht.