Wer es auf dem US-Sportsender ESPN in die Nachrichtensendung «SportsCenter» schafft, ist auf der ganz grossen Bühne gelandet. In Millionen Haushalten läuft die amerikanische «Sport-Tagesschau» jeden Abend. Am Wochenende mittendrin: Freeski-Star Andri Ragettli (22).
Der Bündner landet mit seinem Gold-Sprung im Big Air der X-Games in der «Top 10»-Rubrik mit den spektakulärsten Szenen des Tages. «Ein Zeichen dafür, dass unsere Sportart immer mehr Akzeptanz findet», freut sich Ragettli. Der Triumph beim Saisonhöhepunkt ruft ganz besondere Gratulanten auf den Plan: «Sogar Roger Federer hat mir geschrieben», erzählt er. «Da habe ich mich schon kurz gefragt: ‹Was läuft?›»
Minutenlang im eiskalten Wasser
Eine Frage, die sich wahrscheinlich manch ein Beobachter auch bei einer von Ragettlis knallharten Freizeitbeschäftigungen stellt: Der vierfache Weltcupgesamtsieger (3x Slopestyle, 1x Big Air) setzt sich nämlich gern ins eiskalte Wasser. Minutenlang.
«Das hat vor etwas mehr als einem Jahr angefangen, als wir im Team auf den holländischen Extremsportler Wim Hof gestossen sind.» Der hält derzeit 26 internationale Rekorde im Kälte-Ertragen und hat eine spezielle Atemtechnik entwickelt, die das Ausharren im Eis ermöglichen soll. Anfang Jahr harrt Ragettli 30 Minuten in einem Loch im zugefrorenen Caumasee zuhause in Flims GR aus.
«Man lässt die Kälte nur an die Haut»
Im Schweizer Freeski-Team sind es vor allem Ragettli, sein Bruder Gian und Coach Greg Tuscher, die vom Eisbaden angefressen sind. «Es ist für die Regeneration gut», erklärt Ragettli. «Aber vor allem ist es eine mentale Sache. Man beweist sich, dass man die Kontrolle hat. Wenn man ins Wasser geht, ist der Körper geschockt, man will sofort wieder raus. Aber dann blockt man die Kälte ab, lässt sie nur an die Haut, aber nicht an die Gefässe. Das bringt einen auf ein neues Level.»
Bei den X-Games in Aspen (USA) setzt sich die ganze Schweizer Freeski-Equipe in den kleinen Fluss, der vor der Teamunterkunft durchfliesst. Bei Schnee und Eis auf 2400 m über Meer. Das ist auch für den Profi kalt. «Da hält man es vielleicht eine halbe Minute aus, vielleicht 60 Sekunden.»
Nicht einmal mehr geduscht wird warm
Was es bringt? Mentale Stärke. «Und man ist danach hellwach und frisch.» Ragettlis Kälteresistenz geht mittlerweile so weit, dass er fast nur noch kalt duscht. «Ich liebe heisses Duschen eigentlich», sagt er. «Aber das gönne ich mir im Moment nur einmal pro Woche. Ich brauche diese Herausforderung.» Vielleicht hilfts ja: Wer schon unter der Dusche eiskalt ist, kann im Wettkampf fast nur noch kaltschnäuzig unterwegs sein.