Am 29. November 2005 verblüffte die damals 20-jährige Dominique Gisin die Fachwelt in Lake Louise im ersten Training zu ihrer ersten Weltcup-Abfahrt mit der Bestzeit. Obwohl sich die Abfahrts-Olympiasiegerin von 2014 seit ihrem Rücktritt im Frühling auf ihr Physikstudium fokussiert, könnte zehn Jahre nach diesem Debüt erneut der Name Gisin in Lake Louise für Furore sorgen. Die Trainingsleistungen ihres drei Jahre jüngeren Bruders Marc lassen einen Exploit erhoffen.
Auch die grosse Schwester glaubt an den ersten grossen Coup des 1,99 m grossen Riesen: «Marc hat bis jetzt in seiner Karriere so viel Pech gehabt. Aber irgendwann ist der Wahrscheinlichkeitsfaktor so hoch, dass ein Athlet mit so viel Potenzial wie Marc auch einmal Glück hat.» Er sei nun reif für den Durchbruch.
Letzten Winter stand der Engelberger nach Rang 11 in Wengen schon einmal davor, doch dann erlitt er fünf Tage danach in Kitzbühel bei einem Horror-Abflug neben einer schweren Gehirnerschütterung auch eine Blutung unter der Schädeldecke. Manche Athleten können nach ähnlichen Unfällen den inneren Schweinehund nie mehr überwinden, doch der Heavy-Metal-Fan scheint heftiger denn je über die Pisten zu rocken.
Seine Erklärung: «Ich kann mich nicht an diesen Sturz erinnern. Wenn ich ihn auf Video anschaue, habe ich das Gefühl, dass ich einem Fremden beim Stürzen zuschaue. Deshalb bremst mich dieser Crash nicht ein.» Und deshalb hat Marc in der Vorbereitung auch mit Bestzeiten geglänzt.
Dominique hat vor allem aus einem Grund grossen Anteil am Comeback: «Weil sie selber so viele Rehas durchgemacht hat, konnte sie mir genau sagen, mit welchem Arzt und welchem Physio ich am schnellsten wieder auf die Beine komme.»
Dominique kennt ihren «Big Brother» aber nicht nur als grossen Kämpfer. «Marc ist ein besonders herzlicher Mensch. Wenn er als kleines Kind wegen Süssigkeiten zur Mom gegangen ist, dann hat er auch einen Kaugummi für mich erbettelt, obwohl ich ihn nicht darum gebeten habe. Auch weil Marc so ein grossherziger Mensch ist, glaube ich an sein sportliches Glück.»