Franjo von Allmen (23) wirft im Ziel einen leicht ungläubigen Blick auf den Zeiten-Monitor, wo sein Name vor zwei seiner Teamkollegen an erster Stelle aufgeführt ist. «Weil es mich während der Fahrt ein paarmal aus der Position herausgerissen hat, habe ich nicht unbedingt damit gerechnet, dass ich der Schnellste bin», gibt der 23-jährige Berner Oberländer zu.
13 Hundertstel liegt von Allmen in der Endabrechnung vor Marco Odermatt (27), der Freiburger Alexis Monney (25) verliert als Dritter vier Zehntel auf seinen Zimmerkollegen. Die Schweizer Abfahrer feiern damit den ersten Weltcup-Dreifacherfolg seit dem 19. Januar 1996, als Bruno Kernen in Veysonnaz VS vor William Besse und Daniel Mahrer siegte.
Für von Allmen ist es zwei Wochen nach dem Gewinn von Doppelgold bei der WM (Abfahrt und Team-Kombi) der erste Weltcup-Sieg in der Abfahrt. Der Shooting-Star aus Boltigen im Obersimmental ist sich bewusst, dass ein besonders stiller, aber genialer Schaffer in seinem Team einen besonders grossen Anteil an seinem kometenhaften Aufstieg hat. «Ich möchte ein grosses Merci an meinen Servicemann Sepp Kuppelwieser übermitteln. Er macht einen grossartigen Job!»
Heftige Diskussionen im Frühling
Weil Kuppelwieser eine so grossartige Arbeit abliefert, kann von Allmen trotz Fehlern Rennen gewinnen. Und wegen des herausragenden Wachs-Künstlers aus dem Südtirol hat es im letzten Frühling heftige Diskussionen zwischen von Allmens österreichischem Ausrüster Head und dem ÖSV gegeben.
Aber der Reihe nach. Von 2012 bis 2023 feierte Kuppelwieser grosse Erfolge als Servicemann von Beat Feuz. Nach dem Rücktritt des Olympiasiegers wurde Kuppelwieser zum Österreicher Stefan Babinsky transferiert. Weil er vom Ultentaler derart schnelle Ski erhalten hat, entwickelte sich Babinsky zu einem Speed-Spezialisten, der sich regelmässig in den Top 10 klassieren konnte. Deshalb waren die Österreicher richtig sauer, als Head-Rennchef Rainer Salzgeber nach dem letzten Weltcupfinale Kuppelwieser an die Seite von Franjo von Allmen stellte.
Doch jetzt hat der Riesenslalom-Vize-Weltmeister von 1993 die Gewissheit, dass seine Entscheidung goldrichtig war. Salzgeber kommt aus dem Schwärmen kaum heraus, wenn er auf von Allmen angesprochen wird: «Franjo ist nicht nur ein herausragender Rennfahrer, er ist auch ein besonders toller Mensch. Trotz seiner frühen Erfolge sind ihm Star-Allüren völlig fremd.» Und deshalb möchte der bodenständige Weltmeister im kommenden Sommer auch wieder ein paar Tage als Zimmermann arbeiten. «Die Arbeit auf dem Bau würde wieder ein bisschen Normalität in meinen Alltag bringen.»
Dass von Allmen ein ganz besonderer Zeitgenosse ist, zeigt auch seine Antwort auf die Frage, wie stark ihn der Medien-Marathon nach einem Wettkampf belaste: «Bis jetzt finde ich es ziemlich lustig. Ich kann irgendeinen Mist erzählen und alle hören zu.»