Chris Lödler ist Marco Odermatts Schattenmann. Wenn der Nidwaldner im grellen Rampenlicht steht, präpariert Lödler meistens im Wachskeller die Ski vom Olympia- und Gesamtweltcupsieger. Dass der ehemalige Servicemann von Schwedens Nationalheldin Anja Paerson nicht nur ein begnadeter Handwerker, sondern auch ein besonderer Zocker ist, demonstriert er bei Odermatts erstem Abfahrts-Einsatz auf der «Saslong».
Nach dem 56 Rang im einzigen Training schnallt der 47-Jährige seinem 25-jährigen Schützling ein neues Ski-Model an die Füsse, welches Stöckli im letzten Frühling speziell für den stumpfen und aggressiven Schnee in Gröden gebaut hat. Das grosse Risiko bei dieser Aktion: Weil es diese Bedingungen abseits vom Südtirol nirgendwo gibt, konnten diesen Latten nicht gebührend getestet werden.
Doch der Poker geht nahezu perfekt auf – im Ziel der verkürzten Abfahrt ist einzig der amtierende Weltmeister und Lauberhorn-Sieger Vincent Kriechmayr (Ö) elf Hundertstel schneller als der Buochser, der damit Saison- und disziplinübergreifend zum 12. Mal in Serie vom Podium strahlt.
Erfolgsprämie für den Schattenmann
Dass er den ersten Weltcupsieg in der Königsdisziplin wie schon in Lake Louise (Dritter mit 10 Hundertsteln Rückstand) und Beaver Creek (Zweiter mit 7 Hundertsteln Rückstand) erneut haarscharf verpasst hat, stört Odermatt in diesem Fall nicht im Geringsten. «Ich musste nach dem Training damit rechnen, dass ich auf dieser Piste Dreissigster werde. Und ich war auch skeptisch bezüglich des Experimentes mit dem neuen Ski. Zum Glück hat mich Chris dazu überredet.»
Stellt sich die Frage, wie der Superstar seinen leisen, aber genialen Arbeiter im Hintergrund belohnt? «Ich gebe Chris zehn Prozent von meinem Preisgeld. Den Cowboy-Hut, den ich in Lake Louise erhalten habe und ein Käse-Laib, den es als Zugabe für den Sieg in Val-d’Isère gegeben hat, habe ich natürlich auch Chris überlassen.»
Girardelli verneigt sich vor Odermatt
Lödler, der im letzten Winter rund 55'000 Franken «Odi»-Erfolgsprämie erhalten hat, ist in Vorarlberg unweit vom fünffachen Gesamtweltcupsieger Marc Girardelli (59) aufgewachsen.
Girardelli gehört mittlerweile zu den Fans von Odermatt. «Ich bin Marco letzten Samstag in Val-d’Isère erstmals persönlich begegnet. Bei dieser Gelegenheit ist mir vor allem sein gigantischer Oberkörper ins Auge gestochen. Diese Kraft gepaart mit der genialen Technik machen ihn derzeit fast unbesiegbar.»
Und dann erklärt der Austria-Luxemburger, was Odermatt vom achtfachen Gesamtweltcupsieger Marcel Hirscher abhebt: «Im Gegensatz zu Hirscher ist Marco sehr viel zugänglicher, er strahlt viel mehr Freude aus.»