Gefühlschaos mit Gut-Behrami
Es ist nicht überliefert, ob Lara Gut-Behrami Achterbahnen mag. Genau auf einer solchen befindet sie sich in Sölden – zumindest auf emotionaler Ebene. Bei der Head-PK am Donnerstag verrät sie, dass sie krank war – nicht ein bisschen, sondern heftig («ich konnte vier Tage lang nichts essen»). Dadurch habe sie Muskeln im Bein verloren («fast alle»), das Knie habe zudem Probleme gemacht. Die Folge? Drei Wochen ohne Training. Am Freitag verrät sie, dass Sölden ihr Lieblingsrennen sei. Sie bestätigt, dass der Schriftzug Ragusa nicht mehr auf Helm, Kappen und Stirnbändern stehen wird – nach 12 Jahren ist Schluss. Dann lässt sie ein Blitz-Deal mit Söldens OK-Boss Jakob Falkner, der ihr für den Riesenslalom ein Helmsponsoring anbot, platzen. Und am Samstag gibt sie unter Tränen bekannt, dass sie nicht fahren werde – das Vertrauen fehle. Viel Wirbel – zu viel Wirbel? Sie wird versuchen, Ruhe zu finden und Kondi schuften, um die verschwundenen Muskeln wieder aufzubauen.
Österreicher gebüsst wegen Tränen
In Sölden sind viele Tränen geflossen. Lara Gut-Behrami weinte, nachdem sie im SRF ihren Start-Verzicht verkündet hat. Lucas Braathen hat vor und nach seinem Wettkampf-Comeback medienwirksam auf die Tränendrüse gedrückt. In der österreichischen Abfahrtsmannschaft ist genau das verpönt. «Die Athleten vor ein paar Jahren teamintern einen Strafenkatalog erstellt, der auch das Tränen vergiessen vor der Kamera beinhaltet. Wenn einer von uns in einem Interview, ohne dass jemand gestorben ist, zu weinen beginnt, wird das genau so mit einer Geldstrafe von 50 Euro bestraft wie wenn er zu spät zum Training oder zur Teamsitzung erscheint», verrät ÖSV-Speedchef Sepp Brunner.
Schweinchen bringen Glück
Federica Brignone feierte im Juli ihren 34. Geburtstag und löst damit Elisabeth Görgl als älteste Siegerin im Ski-Weltcup ab – die Österreicherin war bei ihrem letzten Erfolg 2014 33 Jahre und 304 Tage alt. Wie es so kommen konnte? Mit einem brillanten zweiten Lauf. Vielleicht haben Brignone ja aber auch Schweinchen Glück gebracht? Bei ihrer Medienrunde am Freitag im Familienhotel Sunny in Sölden laufen kleine Ferkel fast direkt in der Lobby herum. Für die Tiere wurde dafür extra ein Innenbereich gebaut. «Auf der Piste bin ich aber ein Tiger», so Brignone.
Kristoffersen genervt trotz Dreifach-Sieg
Die Wikinger schreiben in Sölden Riesen-Geschichte! Dank Alexander Steen-Olsen, Henrik Kristoffersen und Atle Lie McGrath feiern die Norweger ihren allerersten Dreifach-Triumph bei einem Weltcup-Riesenslalom. Die Freude ist bei den Skandinaviern aber selbst an diesem historischen Tag nicht ungetrübt. McGrath hatte in der Leaderbox vor laufender TV-Kamera einen Wutanfall, nachdem er von Kristoffersen um eine Hundertstelsekunde geschlagen wurde. Kristoffersen selbst reagierte genervt, weil er vor allem von den Berichterstattern immer wieder auf die Comebacks seines ehemaligen Landsmanns Lucas Braathen (Platz 4) und seines Van-Deer-Chefs Marcel Hirscher (Rang 23) angesprochen wurde. «Um ehrlich zu sein, sind mir diese Comebacks egal. Für den Skisport im Allgemeinen mag es gut sein, aber ich kümmere mich wirklich nicht darum. Ich kümmere mich um mein Skifahren, alles andere kann ich nicht beeinflussen», knurrt der Einzelkämpfer aus der Region Oslo.
Vonn-Rückkehr elektrisiert nicht alle
Noch hat sie sich nicht zu ihren Comeback-Plänen geäussert. Und doch – oder vielleicht auch deshalb – ist Lindsey Vonn (USA) in aller Munde. Von Head hat sie einen eigenen Servicemann zur Seite gestellt bekommen und in Sölden fleissig trainiert. Nun quält sie sich im Kraftraum. Fakt ist: Ein Weltcuprennen darf Vonn frühestens am 29. November fahren. Der Weg für die 40-Jährige, die mit einem künstlichen Kniegelenk fährt, ist deutlich weiter als jener von Lucas Pinheiro Braathen (Bra) und Marcel Hirscher (Ho). Und unter vorgehaltener Hand äussern sich längst nicht alle Ski-Frauen positiv – der Showcharakter ist ihnen wohl zu gross.
Comebacks sorgen für Traumquote
Dass die Rückkehr von Marcel Hirscher und Lucas Braathen dem Alpinsport tatsächlich einen neuen Schub verleihen, belegen die Einschaltquoten von ORF. Den ersten Durchgang verfolgten im österreichischen Fernsehen 1,002 Millionen. «Das ist eine Traumquote, wenn man bedenkt, dass wir in den Jahren zuvor beim Sölden-Riesen ungefähr 600'000 Zuschauer hatten», verrät ORF-Starmoderator Rainer Pariasek.
US-Märchen nach Alptraum
Auch ohne Podestplatz stellen die Amerikanerinnen das stärkste Riesen-Team in Sölden. Platz 4: Katie Hensien. Platz 5: Mikaela Shiffrin. Platz 7: Nina O’Brien. Letztere erlebte in den vergangenen Jahren einen Albtraum. Bei den Olympischen Spielen in Peking brach sie sich Schien- und Wadenbein, ihre Schreie im Zielraum gingen durch Mark und Bein. Und vor einem Jahr im Training zersplitterte der linke Unterschenkel erneut. «Nina ist einer der nettesten Menschen im Weltcup. Dass sie so zurückkehrt, ist unglaublich. Ich gönne es ihr von Herzen», sagt Michelle Gisin.
Hirscher mit Murisier verwechselt
Oberflächlich betrachtet beinhaltet der Weltcup-Auftakt für das Schweizer Männerteam wenig Positives. Nach dem Forfait von Loïc Meillard (Rückenschmerzen) und dem Ausfall von Superstar Marco Odermatt (Innenskifehler nach überragender Zwischenzeit) landet mit Gino Caviezel (Rang 9) lediglich ein Skigenosse in den Top 10. Swiss Ski-Coach Matteo Joris ernennt dennoch einen Schweizer zum moralischen Gewinner: «Justin Murisier hat in der Saisonvorbereitung keinen einzigen Trainingslauf ohne Schmerzen absolvieren können. Lange Zeit war sein Einsatz in Sölden fraglich. Deshalb kommt es für mich einer mittleren Sensation gleich, dass Justin unter diesen widrigen Umständen auf den 17. Rang gefahren ist.» Kurios: In den niederländischen Medien wird der Walliser mit dem achtfachen Gesamtweltcupsieger Marcel Hirscher verwechselt! Auf dem Onlineportal Telegraaf fungiert eine Hirscher-Reportage. Im Bild ist aber nicht Hirscher, sondern Justin Murisier zu sehen ...
Ösi-Schreie in der Garage
Im ersten Lauf verfährt sich Österreichs 1,62-Meter-Wirbelwind Julia Scheib noch. Doch dann zündet sie den Turbo, wird Dritte. Wie hat sie das geschafft? ÖSV-Coach Christan Perner berichtet von einer speziellen Massnahme zwischen den Läufen: «Ich bin mit ihr in die Garage gegangen und habe gesagt, dass wir uns jetzt den Frust von der Seele schreien. Dann haben wir geschrien. Da haben uns Leute schon für deppert erklärt.» Es ist Scheibs erster Podestplatz («supercool») überhaupt und der erste einer Österreicherin im Riesenslalom seit fünf Jahren.
Für Feuz mit Tipps nichts zu holen
Der sensationelle Saisonstart der Norweger hat einige Experten auf dem falschen Fuss erwischt. Ein Beispiel gefällig? Abfahrts-Olympiasieger Beat Feuz betreibt zusammen mit Deutschlands Ski-Papst Felix Neureuther, Stöckli-Rennchef Marc Gisin, Schwedens Downhill-Legende Hans Olsson und einem Blick-Reporter eine Wettgruppe, in der vor jedem Männer-Rennen die Top 3, der Rennfahrer, der mit der höchsten Nummer in die Top 30 fährt, sowie die Platzierung von Marcel Hirscher getippt werden. Die Sölden-Bilanz fällt für diese Wettgruppe ernüchternd aus: Weil alle auf einen Sieg von Marco Odermatt gesetzt haben und keiner mit einem Podestplatz von Henrik Kristoffersen oder Atle Lie McGrath gerechnet hat, stehen Feuz und Co. mit 0 Punkten da!