Der grosse Saison-Rückblick
Pisten-Zoff, Tränen im Zielraum und eine hässige Vonn

Die Ski-Saison ist vorbei. Welche Geschichten bleiben in Erinnerung? Die Blick-Ski-Reporter blicken zurück auf die grössten Aufreger.
Publiziert: 29.03.2025 um 00:47 Uhr
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Aktualisiert: 30.03.2025 um 20:16 Uhr

Darum gehts

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Die heftigste Reaktion – Vonn ist sauer auf Blick

Ob Bruno Kernen, Sonja Nef oder Bernhard Russi: Sie alle äusserten sich im Blick kritisch gegenüber den Comeback-Plänen von Lindsey Vonn (40). Dass ihre Meinungen nicht böse, sondern eher sorgenvoll gemeint waren, spielte schon bald keine Rolle mehr.

Die 40-Jährige, die mit einer Teilprothese im Knie die Rückkehr auf die Piste plante, war sauer. Und als dann der Blick-Reporter vor dem Renn-Comeback in St. Moritz schrieb, in welchem Hotel Vonn im Engadin haust (dort, wo sie immer übernachtet hatte), war das Tischtuch endgültig zerschnitten. Das Problem: Fans hatten davon gelesen, das Hotel belagert oder zumindest Päckchen für Vonn abgegeben. «Ein mögliches Sicherheitsrisiko», fand deren Management. Immerhin: Robert Trenkwalder, der Vonn bei Red Bull 15 Jahre lang begleitete, akzeptierte die Blick-Entschuldigung. «Alles gut», sagte er und gab danach gleich ein Interview. Übrigens: Im letzten Rennen ihres Winters, dem Super-G in Sun Valley (USA), strafte Vonn alle lügen, die ihr keinen Podestplatz mehr zugetraut hatten – sie wurde Zweite.

«Ich muss mich wirklich bei Lindsey Vonn entschuldigen»
5:54
Russi gesteht ein:«Ich muss mich wirklich bei Lindsey Vonn entschuldigen»

Die verpasste Grosschance

Der Berner Oberländer Lars Rösti (27) ist kurz vor Weihnachten beim Abfahrts-Klassiker in Gröden der Sensation ganz nahe – mit Startnummer 34 liegt der 27-Jährige bei der Einfahrt in der Ciaslat 84 Hundertstel vor Marco Odermatt. Der Superstar beginnt sich deshalb auf dem Leader-Thron mit dem zweiten Platz anzufreunden: «Diesen Vorsprung wird sich Lars im letzten Abschnitt nicht mehr nehmen lassen!»

Wirklich nicht? Doch! Bei der Ciaslat-Ausfahrt begeht der gelernte Schreiner einen schweren Linienfehler und fällt auf den zwölften Rang zurück. «Lars hat hier den Sieg weggeworfen», analysiert Olympiasieger Beat Feuz. «Die meisten anderen Athleten haben aufgrund des besseren Lichts in diesem Streckenabschnitt höchstens eine halbe Sekunde verloren, während Lars durch diesen Fehler über eineinhalb Sekunden kassiert hat.» Drei Wochen später überzeugt Rösti am Lauberhorn mit dem achten Rang, was seinem besten Ergebnis bei einer Weltcup-Abfahrt gleichkommt.

Ein Fehler kostete Lars Rösti den Sensationssieg in der Abfahrt von Gröden.
Foto: keystone-sda.ch

Der aussergewöhnlichste Sieg

Eigentlich will Marco Odermatt (27) in Alta Badia gar nicht an den Start gehen. Weil er bei der Besichtigung der «Gran Risa» erkennt, dass nach rund zwanzig Toren Schnee durch die Piste bricht und sich dadurch gefährliche Nester bilden, plädiert der Nidwaldner genau wie ein Grossteil seiner Rennfahrerkollegen für die Absage dieses Riesenslaloms. Die Jury um FIS-Rennleiter Markus Waldner erkennt jedoch viel weniger Gefahren als die Athleten und entschliesst sich für ein Rennen. In dieser Situation zeigt Odermatt einmal mehr seine ganz grosse Klasse: Nachdem er im ersten Lauf mit einer Sicherheitsfahrt die drittbeste Zeit realisiert hat, wartet er im zweiten Akt von diesem Riesen-Drama in Italien mit der genialsten Leistung dieser Weltcup-Saison auf und triumphiert mit fast neun Zehnteln Vorsprung auf den Franzosen Léo Anguenot.

Odermatt ist damit der erste Athlet in der 58-jährigen Weltcup-Geschichte, der das Double Abfahrt Val Gardena / Riesenslalom Alta Badia schafft. Und am Ende dieser Saison steht der 27-Jährige wie im Vorjahr mit vier Kristallkugeln (Gesamtweltcup, Abfahrt, Super-G und Riesenslalom) da.

Mit einem genialen zweiten Lauf sicherte sich Marco Odermatt den Sieg beim Riesenslalom in Alta Badia.
Foto: AFP

Die schönsten Tränen – Hählen rettet ihre Karriere

Während einige um Siege und Kugeln kämpfen, tun es andere um ihre Karrieren. So auch Joana Hählen (33). Mit zwei gerissenen Kreuzbändern im Knie unterwegs, kommt sie im Winter lange überhaupt nicht auf Touren, verpasst die WM und taucht unter. Aber aufgeben? Nein, das steht nicht im Vokabular der Bernerin. In La Thuile (It) packt sie ihre letzte Chance, wird 15. und 10. und darf ans Weltcupfinale reisen. «Ich habe mich ab und zu gefragt, ob ich nächste Saison noch fahren möchte. Als ich hierhergereist bin, hatte ich fast schon abgeschlossen und mir gesagt: Ich trete zu 85 Prozent zurück», sagt sie danach mit Neffe Louis in den Armen. Ihre Tränen des Glücks gehen ans Herz. Und sie kündigt an: «Und nun mache ich zu 85 Prozent weiter!»

In Italien qualifizierte sich Joana Hälen in extremis für das Weltcup-Finale. Den grossen Erfolg feierte sie im Zielraum mit ihrem Neffen.

Die süsseste Überraschung – Brignones Mutter verteilt Pralinen

Federica Brignone (33) ist die Ski-Überfliegerin des Winters. Sie hamstert den Gesamt-, den Super-G- und den Riesenslalom-Weltcup – die Tigerin aus dem Aostatal erlebt einen Traum-Winter. Umso ergreifender ist es, zu erleben, wie bescheiden und sympathisch die Familie Brignone ist. Federicas Bruder und Trainer Davide plaudert mit Blick in Are (Sd) spontan während 30 Minuten aus dem Nähkästchen und verrät: «Fede kann auch sehr gut tanzen und singen.» Schon vorher, bei der WM in Saalbach, hatte Mutter Maria Rosa Quario (sie war einst eine Weltklasse-Slalomfahrerin) den Blick-Angestellten im Medienzentrum leckere Pralinen verteilt – ihre Tochter hatte sie bei der Siegeszeremonie erhalten. «Fede kann ja nicht alle selber essen», meint sie schmunzelnd.

Foto: keystone-sda.ch

Der schlimmste Sturz

Frankreichs Cyprien Sarrazin (30) wird im zweiten Training zur Bormio-Abfahrt bis zur Einfahrt ins letzte Streckendrittel seinem Ruf als gefährlichster Gegenspieler von Marco Odermatt vollauf gerecht – der zweifache Kitzbühel-Triumphator wartet mit überragenden Zwischenzeiten auf. Doch auf einmal halten im Zielraum beim Blick auf den riesigen Bildschirm alle den Atem an: Sarrazin, der im Vorjahr auch auf der «Stelvio» gewonnen hat, gerät beim vorletzten Sprung in Rücklage und knallt aus grosser Höhe voll auf den Rücken. Danach schlittert er unkontrolliert über die Piste und durchschneidet mit seinen Ski das Sicherheitsnetz. Der 30-Jährige wird mit dem Helikopter ins Spital geflogen, wo eine Hirnblutung diagnostiziert wird. Sarrazin wird ins künstliche Koma versetzt und operiert. Obwohl dieser Eingriff erfolgreich verlaufen ist, ist unklar, ob der «Skidane» jemals wieder Weltcuprennen bestreiten wird.

Der Franzose Cyprien Sarrazin musste mit dem Helikopter ins Spital geflogen werden.
Foto: keystone-sda.ch

Die beeindruckendste Fahrt – Gut-Behrami entfacht Gender-Debatte

Pirmin Zurbriggen fand, man sollte nicht vergleichen. Zu Recht. Und dennoch taten es alle. Lara Gut-Behrami (34) wäre mit ihrer Siegerzeit beim Super-G in Sun Valley (USA) bei den Männern Zehnte geworden. «Was Lara gezeigt hat, war phänomenal», meinte Zurbriggen. Tatsächlich war Gut-Behramis Fahrt derart angriffig, mutig, präzise und filigran, dass jede journalistische Übertreibung für einmal zulässig wurde. Ein Wunderlauf für die Geschichtsbücher, den man womöglich in ihrem letzten Winter wohl kaum noch einmal sehen wird. Oder doch? Sicher ist: Gut-Behrami darf man erst abschreiben, wenn sie ihre Ski in den Keller gestellt, die Türe abgeschlossen und den Schlüssel weggeworfen hat.

Am Limit aber richtig schnell: Lara Gut-Behrami verblüffte mit ihrer Super-G-Fahrt beim Weltcupfinale.
Foto: Getty Images

Der grösste Schocker – Blanc rast mit Nummer 46 in den Ski-Himmel

Es ist erst ihr zweites Weltcuprennen. Ihr Kreuzbandriss liegt auch erst elf Monate zurück. Und doch donnert Malorie Blanc (21) bei der Abfahrt in St. Anton (Ö) mit Startnummer 46 aufs Podest. «Das ist das schönste Geschenk überhaupt. Es ist der beste Tag in meinem Leben!», sagt die fröhliche Walliserin. Was für den Blick-Reporter folgt, ist klar – er wird um ein grosses Porträt gebeten. Nicht ganz einfach? Sein grosses Glück: Er hatte Blanc und deren reizende Familie schon nach ihrem Junioren-WM-Titel daheim in Ayent getroffen. Dort hatte Blanc unter anderem verraten: «Wenn es mit dem Skifahren nichts geworden wäre, hätte ich Kunst studiert. Und ich schaue im TV am liebsten Natur-Dokus.»

Malorie Blanc raste bei ihrem zweiten Weltcuprennen bereits aufs Podest – eine Sensation!
Foto: keystone-sda.ch

Die grösste Überraschung

Die Abfahrt in Bormio scheint nach der Startnummer 18 entschieden zu sein. Sämtliche Favoriten sind im Ziel, Shootingstar Franjo von Allmen (23) wird von einigen Reportern bereits als Sieger ausgerufen. Doch dann geht Alexis Monney, der bis dahin im Weltcup noch nie besser als Achter war, ins Rennen. Im Training hat der Freiburger auf der bestialischen «Stelvio» Prellungen an den Füssen erlitten. Dennoch meistert der 25-Jährige die brutalen Tücken dieser Piste scheinbar spielerisch leicht und ist im Ziel 24 Hundertstel schneller als sein Kumpel von Allmen. «Der Sieg von Alexis bei diesen grenzwertigen Bedingungen kommt für mich der eindrücklichsten Leistung in diesem Speed-Weltcup-Winter gleich», schwärmt Franz Heinzer (62, Abfahrts-Weltmeister 1991), der als Europacup-Trainer Monney genau wie von Allmen stark geprägt hat.

Obwohl Monney nach diesem Triumph auch in Kitzbühel (2.), Crans Montana (2. Super-G, 3. Abfahrt), und bei der WM (Bronze in der Abfahrt, Kombi-Silber) den Sprung auf das Podest schafft, muss er den Titel «Aufsteiger des Jahres» dem Doppel-Weltmeister und dreifachen Weltcupsieger von Allmen überlassen.

Bis zur Abfahrt in Bormio war das beste Resultat von Alexis Monney der achte Platz. Mit der Startnummer 27 fuhr er zur Überraschung aller zu seinem Premieren-Sieg.
Foto: Getty Images

Der heftigste Krach

Nach dem Riesenslalom in Val d’Isère kommt es anlässlich der Startnummernauslosung zum Slalom zu einem verbalen Schlagabtausch zwischen Daniel Yule (32) und Henrik Kristoffersen (30): Als sich der Heisssporn aus Norwegen lautstark über die Pistenbedingungen beschwert, fährt ihm der Skigenosse mit den Worten «Hör endlich auf zu jammern, Henrik» in die Parade. Nach längerem Hin und Her beendete der amtierende Slalom-Weltmeister die Diskussion mit einem lauten «Fuck you, Daniel!». In der Zwischenzeit gehen der Slalom-Gesamtweltcupsieger aus der Region Wallis und der erfolgreichste «Zickzacker» der Swiss-Ski-Geschichte (7 Weltcupsiege) wieder ganz anständig miteinander um.

Henrik Kristoffersen legte sich mit dem Schweizer Daniel Yule an.
Foto: Sven Thomann
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