Manuel Feller egalisiert mit dem zweiten Rang in Val-d’Isère sein bestes Riesenslalom-Ergebnis. Als der Österreicher aber auf die finale Ergebnisliste blickt, schüttelt er den Kopf: «Es darf nicht sein, dass ich unter diesen Voraussetzungen 1,40 Sekunden auf Marco Odermatt verliere. Im Gegensatz zu mir hat Marco eine lange Nordamerika-Tour in den Beinen», ächzt der 30-Jährige. «Trotzdem fährt er mit Jetlag diesen brutal schwierigen Hang hinunter, als wenn das alles gar nichts wäre. Das ist unglaublich!»
Nummer 7 im ewigen Ranking
Odermatts Leistung beim Riesen-Klassiker auf der steilen «Face de Bellevarde» verdient tatsächlich die Überschrift «überirdisch». Besonders verblüffend ist die Tatsache, dass der Nidwaldner nach seiner Halbzeit-Führung auch im zweiten Durchgang die Laufbestzeit aufstellt, obwohl die Piste zu diesem Zeitpunkt arg ramponiert ist.
Kaum zu überbieten ist die Konstanz, die der Titelverteidiger im Gesamtweltcup an den Tag legt. Den Sieg bei den Olympischen Spielen in Peking eingerechnet, hat Odermatt im Riesenslalom nun elfmal in Serie den Sprung auf das Podest geschafft. Auch disziplinübergreifend steht der Buochser seit gestern mit 11 «Stockerl»-Plätzen in Folge da. Und noch etwas ganz Besonderes schafft er für die Geschichtsbücher: Odermatts 14. Weltcupsieg in Val-d’Isère ist gleichbedeutend mit dem 300. Schweizer Männer-Weltcupsieg.
In der ewigen Swiss-Ski-Siegerliste liegt Odermatt hinter Pirmin Zurbriggen (40), Peter Müller (24), Mike von Grünigen (23), Didier Cuche (21), Franz Heinzer (17) und Beat Feuz (16) an siebter Stelle. Und das alles mit erst 25 Jahren. «Zurzeit läuft tatsächlich alles nahezu perfekt. Das ist auch das Verdienst meines Servicemanns Chris Lödler, der mir bei allen Bedingungen das ideale Set-up zur Verfügung stellt», schwärmt Odermatt.
Die nächste Rennwoche verursacht Sorgenfalten
Es gibt dennoch etwas, was dem Jahrhundert-Skifahrer auf den Magen schlägt – der Gedanke an die kommende Rennwoche in Val Gardena und Alta Badia. «Die Strecke in Val Gardena gehört nicht gerade zu meinen Lieblingspisten.» Im Vorjahr hat Odermatt auf der «Saslong» mit dem 24. Rang im Super-G sein zweitschlechtestes Saisonergebnis eingefahren.
Weil die abgesagte Abfahrt von Beaver Creek im Südtirol nachgeholt werden soll, stehen nächste Woche auf der WM-Strecke von 1970 drei Speed-Rennen auf dem Programm. Zum Dessert gibt es dann am Sonntag und Montag den Doppel-Riesenslalom auf der selektiven «Gran Risa» in Alta Badia.
Odermatt nimmt bezüglich des dicht gedrängten Rennkalenders kein Blatt vor den Mund: «Das finde ich richtig blöd! Auf der einen Seite wird bei der FIS diskutiert, wie man unseren Sport sicherer machen kann. Gleichzeitig setzt man fünf Rennen in fünf Tagen an. Das ist total widersprüchlich.» Marco erkennt bei dieser Thematik noch einen zweiten unlogischen Punkt: «Die FIS-Funktionäre betonen immer wieder, dass sie gerne mehr Allrounder hätten. Aber mit Rennprogrammen wie in Gröden und Alta Badia werden Allrounder nicht gefördert, sondern verhindert.»
Verzicht auf eine Saslong-Abfahrt?
ORF-Kommentator Hans Knauss (51, Alta-Badia-Triumphator 1995, Kitzbühel-Sieger 1999) gibt dem Schweizer recht: «Ich weiss aus eigener Erfahrung, dass eine Speed-Woche in Gröden brutal in die Beine geht. Wenn du danach auch noch einen Doppel-Riesenslalom in Alta Badia bestreiten musst, steigt das Verletzungsrisiko aufgrund der mangelnden Erholungszeit tatsächlich an.»
Und weil Odermatt damit rechnen muss, dass sein grosser Gesamtweltcup-Widersacher Aleksander Aamodt Kilde in Gröden viele Punkte ergattert, wird er sich keine lange Verschnaufpause leisten. Die Wahrscheinlichkeit ist aber ziemlich gross, dass unser Sportler des Jahres zumindest auf eine Saslong-Abfahrt verzichten wird.