Geisterrennen. Ein seltsames Wort. Doch vielleicht muss man sich schon bald daran gewöhnen – auch im Ski-Zirkus. Der Grund dafür ist klar: Viele können sich nicht vorstellen, dass im nächsten Winter vor Zuschauern gefahren wird. Doch welcher Veranstalter könnte sich ein Geisterrennen überhaupt leisten? Schliesslich sind die tiefroten Zahlen, welche die Weltcups in Adelboden und Wengen trotz vollen Tribünen im letzten Winter schrieben, noch immer in den Köpfen präsent.
Doch siehe da, nun meldet sich Hugo Steinegger, Vizepräsident der Rennen in Crans-Montana. Der 76-Jährige sagt: «Wir würden auch Geisterrennen veranstalten. Und ich könnte mir vorstellen, dass bei knallharter Budgetierung eine schwarze Null möglich wäre. Voraussetzung dafür ist, dass unsere Hauptpartner, die Gemeinden, der Kanton, die Loterie Romande und die Bergbahnen wie immer mitmachen und Swiss-Ski die gleichen Beträge wie sonst zusichert.» Von alldem geht Steinegger aus.
Weniger Zuschauer ergibt auch weniger Kosten
Aber kann die Geisterrennen-Rechnung wirklich aufgehen? Schliesslich kamen auch im letzten Jahr beim Doppelsieg von Lara Gut-Behrami (29) die Fans in Scharen. Die Antwort ist vielschichtig. Einerseits macht das Ticketing in Crans-Montana nur einen kleinen Teil der Einnahmen aus, weil lediglich Tribünen-Plätze à 30 Franken verkauft werden – alle anderen schauen gratis zu. Vor allem aber würden bei Geisterrennen deutlich weniger Kosten entstehen – es bräuchte zum Beispiel weder Tribünen, Animationsprogramm, Zelte, Verpflegungsstände, etc. «Vor allem die fehlenden Einnahmen durch die VIPs würden stark ins Gewicht fallen. Doch es sollte möglich sein, dies mit unserer Trägerschaft zu verkraften», so Steinegger.
Das kann wohl nicht jeder Weltcupveranstalter behaupten. Crans-Montana jedoch schon. Die Weltcup-Strecke oberhalb von Siders scheint wie geschaffen für Geisterrennen, eine aussergewöhnliche Situation. So wäre es ein Einfaches, den Zielbereich abzusperren – man gelangt schliesslich nur zu Fuss und durch ein Nadelöhr im Ortsteil Barzettes dorthin. Und auch am Streckenrand könnten sich kaum Menschen ansammeln, ist dies am Mont Lachaux doch fast überall natürlich abgegrenzt.
Wird Crans-Montana zum Glückfall?
OK-Präsident Marius Robyr und Hugo Steinegger denken deshalb sogar darüber nach, bei Bedarf auch Männer-Rennen zu veranstalten. Nur allzu genau verfolgen sie auch jene Spekulationen, wonach es im kommenden Winter nur noch Rennen an 5 oder 6 Orten geben könnte – dafür mehr und mit beiden Geschlechtern. «Hier dabei zu sein, wäre prüfenswert. Aber ich kann mir diese Lösung kaum vorstellen. Das Budget, welches für die drei Frauen-Rennen im letzten Winter 2,5 Millionen Franken betrug, müsste dabei erhöht werden – im Verhältnis würde der Event pro Rennen aber ‹billiger›. Dies, weil die bestehende Infrastruktur häufiger genutzt würde». Crans-Montana wäre allerdings froh, so früh wie möglich von der FIS Bescheid zu wissen. Kommt der Wunsch für mehrere Geisterrennen erst im November, wird es für die Organisatoren sehr knapp.
Hugo Steinegger macht keinen Hehl daraus, dass hinter der Geisterrennen-Bereitschaft auch eine Prise Kalkül steckt. Warum? Weil Crans-Montana für die WM 2025 kandidiert. Da dürfte zwar Saalbach-Hinterglemm (Ö) den Vorzug bekommen, doch 2027 wäre wohl der Walliser Ski-Ort an der Reihe.
«Schon in der letzten Saison haben wir die abgesagte Abfahrt von Rosa Khutor sehr kurzfristig übernommen. Und auch künftig werden wir zeigen, wie flexibel wir sind.» Das Fazit: Der Sonderfall Crans-Montana könnte für die FIS zu einem Glücksfall werden.