Geschafft! Corinne Suter erlöst die Ski-Schweiz mit dem ersten Frauen-Sieg seit 60 Rennen und 715 Tagen. Vor allem aber gewinnt sie ihr erstes Weltcup-Rennen. «Es ist so schön. Ich freue mich riesig», sagt die Schwyzern und herzt ihre Mutter Silvia. Daneben steht ihr Freund Angelo. Die Freude ist auch ihm ins Gesicht geschrieben. Er sagt: «Ich habe schon schon vor einigen Tagen gewusst: Diesmals klappt es!»
Im Nachhinein einfach gesagt, könnte man einwenden. Weit gefehlt! Rückblende. Angelo macht sich am Donnerstag auf, die 534 Kilometer von Schwyz nach Altenmarkt unter die Räder zu nehmen. Doch der Versicherungsexperte hat eine Vorahnung, ein spezielles Gefühl.
Er ruft bei Corinnes Mutter Silvia und Tante Priska an. «Kommt auch mit! Ihr wollt doch nicht beim ersten Sieg von Corinne zuhause bleiben?» fragt er. Beide willigen ein. Silvia: «Zuerst dachte ich, dass sechs Stunden Autofahrt etwas lange sind. Aber jetzt bin ich unglaublich froh, hier zu sein. Ich bin mächtig stolz auf meine Tochter. Das ist einer der schönsten Tage meines Lebens.»
Ihrer Tochter geht es genau gleich. «Irgendwann habe ich mich selbst gefragt, wann der erste Sieg kommt. Dass es jetzt geklappt hat, ist genial.» Suter verdient sich den Erfolg mit einer blitzsauberen Fahrt am Gamskogel, der vielleicht schwierigsten Piste im Frauen-Zirkus. Dass der Start wegen Nebels nach unten versetzen wird, stört die 25-Jährige nicht. Nach den Speed-Rängen 2, 5, 3 und 6 ist sie bereit für den grossen Coup. «Ich wusste, dass ich extrem schnell sein kann. Alles fällt mir derzeit so leicht, ich habe eine solche Freude am Skifahren.»
Währenddessen leckt Österreich seine Wunden
Was im Rennen folgt, ist eine Gala-Vorstellung. Suters Hocke ist tief, extrem tief. Ihre Kurven sind blitzsauber, vor allem im Mittelteil fährt sie so eng wie keine andere. Und unten, bei «Schmalzleiten», lässt sie ihren Brettern freien Lauf. Genügend «Schmalz», also Kraft in den Beinen, hat sie sowieso. Im Ziel leuchtet Grün auf. Was geht ihr in diesem Moment durch den Kopf? «Dass diese Fahrt richtig cool war! Und dass ich am liebsten gleich nochmals fahren würde», erzählt sie lachend.
Währenddessen leckt Österreich seine Wunden. Keine des Super-Trios Schmidhofer, Venier und Siebenhofer sticht, alle büssen wegen einer Nebelbank kurz vor Schluss Zeit ein. «Da haben wir uns gewaltig verzockt», sagt Nicole Schmidhofer und meint damit die Wahl der frühen Startnummern. Dennoch sind letztlich alle einig: Suter wäre auch bei Sonnenschein nicht zu schlagen gewesen.
Zurück zu Suters Familie. Am Abend vor dem Rennen gehen Silvia, Angelo und Priska mit Suter im gemütlichen «Markterwirt» essen. Es gibt Suppe, ein gutes Stück Fleisch und Kartoffeln. «Perfekt. Genau das, was ich vor einem Rennen liebe», so Suter. Die gemütliche Runde verstärkt ihre Vorfreude auf das Rennen. «Meine Liebsten bedeuten mir so viel. Ich weiss, das sagen alle. Aber es ist wirklich so. Ich habe in meiner Karriere schon oft gesagt: ‹Ich kann nicht mehr!› Und dann haben mich alle wieder aufgebaut. Dieser Sieg gehört darum meiner ganzen Familie.»
Der dritte Platz von Michelle Gisin rundet den perfekten Schweizer Tag in Österreich ab. Die Engelbergerin meint: «Ich habe mich von Tag zu Tag gesteigert. Und jetzt dieser Podestplatz, das ist cool. Doch dieser Tag gehört Corinne – ich freue mich riesig für sie!»