BLICK: Bernhard Russi, Daniel Yule sorgt sich über das nachlassende Interesse am Skiweltcup und fordert Änderungen. Teilen Sie seine Meinung?
Russi: Grundsätzlich bin ich überrascht über den Zeitpunkt seiner Kritik. So unmittelbar vor dem Saisonstart sollte er sich auf den Sport konzentrieren. Und es gibt einen Athletenrat und die Fahrer können sich mit ihren Ideen auch immer melden und Diskussionen anstossen. Von daher ist es jetzt, so kurz vor dem Start in den WM-Winter, nicht der Zeitpunkt, um alles auf den Kopf zu stellen.
Sie teilen seine Kritik nicht?
Nicht alles, aber im Ansatz ist er auf dem richtigen Weg. Mich irritiert nur der Zeitpunkt.
Aber es muss etwas passieren?
Ja. Der alpine Skisport muss sich verändern. Eine Evolution reicht da nicht mehr, es braucht eine Revolution. Diese Erkenntnis ist auch beim Internationalen Skiverband gereift. Man macht sich viele Gedanken. Aber nochmals: Diese Diskussion kann man vertieft im nächsten Frühling führen. Und nicht vor dem Saisonstart, wo wir uns alle auf spannende Rennen freuen.
Daniel Yule bemängelt, dass die Favoriten frühe Startnummern ziehen und die Rennen nach den ersten Nummern schon entschieden sind.
Das ist ein Kritikpunkt, den ich nicht teile. Die Durchschnittsnummer aller Sieger im letzten Winter wäre die 9,66 gewesen. Ich bin auch nicht sicher, ob seine Forderung nach mehr Nachtrennen der richtige Ansatz ist.
Wo würden dann Sie den Hebel ansetzen?
Die wichtigste Änderung für mich wäre die Reduktion des Starterfeldes. Das wäre vor allem für die grossen Skinationen ein schmerzhafter Einschnitt.
Weil dann die grossen Skinationen weniger Fahrer stellen können?
Der Weltcup darf keine österreichisch-schweizerische Inzuchtveranstaltung sein. Er muss möglichst international sein und bleiben. Und da sind wir auf einem guten Weg. Es gibt Siegfahrer aus sehr vielen Nationen. Und das ist eine gute Entwicklung. Wenn man über Einschaltquoten und die Bedeutung des Weltcups spricht, dann ist Deutschland halt nach wie vor ein zentrales Land.
Verliert der Skisport ganz grundsätzlich an Bedeutung?
Es ist ja bekannt, dass der Skisport kein Selbstläufer ist. In unserer multikulturellen Gesellschaft gibt es immer mehr Kinder, die den Zugang zum Schneesport gar nie finden. Da müssen wir weiter um jede und jeden kämpfen.
Was erwarten Sie von diesem WM-Winter?
Jetzt stehen ja zwei Slaloms auf dem Programm. Und wir sind auf dem Weg, wieder eine grosse Slalomnation zu werden. Bei den Frauen wie auch bei den Männern. Es fehlen nur noch die Siege. Und die könnten in diesem Winter kommen. Ansonsten gilt es, den letzten sehr guten Winter zu bestätigen.
Um bald mal wieder Österreich als Skination Nummer Eins abzulösen?
Das ist ein realistisches Ziel. Aber wir dürfen nicht darauf hoffen, dass die anderen schwächeln. Sondern müssen unsere eigenen Stärken ausspielen. Und wir haben ein Potenzial wie lange nicht mehr.