Bernhard Russi über Laras Comeback
«Der Schuss kann nach hinten losgehen»

Der Skiwinter wird heute lanciert. Mit dem Sensationscomeback von Lara Gut. Aber einer fehlt. «Was machen Sie heute, Bernhard Russi?»
Publiziert: 27.10.2017 um 23:50 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 11:13 Uhr
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Letzte Saison verabschiedete sich Russi vom SRF-Publikum.
Foto: Sven Thomann|Blicksport
Felix Bingesser aus Sölden

Bernhard Russi, wo stören wir Sie?
Bernhard Russi (69): Ich sitze zu Hause und schaue in die Bergwelt von Andermatt.

«Oazapft is» heisst es auf dem Gletscher in Sölden. Aber ein Ski-Weltcupauftakt ohne Bernhard Russi ist ja wie ein Oktoberfest ohne Bier.
Hoppla. Nein, das ist natürlich übertrieben. Und wenn es so wäre, dann müsste ich ja auf meinen Entscheid zurück­kommen. Denn ich habe Bier viel zu gern ...

Kommt keine Wehmut auf?
Natürlich! Es gibt gewisse Entzugserscheinungen. 1967 stand ich am Start des Slaloms in Berchtesgaden. Es war das erste Weltcuprennen der Geschichte. In den letzten 50 Jahren war ich in irgendeiner Funktion bei jedem Start in die Weltcupsaison dabei. Es ist schon sehr gewöhnungsbedürftig, jetzt zu Hause zu sitzen.

Wie muss man sich das vorstellen: Werden Sie heute in der Abfahrtshocke vor dem Bildschirm stehen?
Vielleicht schalte ich den Ton ab und kommentiere trotzdem jede Fahrt. Und gehe damit meiner Frau auf die Nerven.

Im Ernst?
Nein, natürlich nicht. Ich freue mich darauf, einfach die Füsse hochzulagern und mitzufiebern. Und ich kann mal total patriotisch sein. Ich hoffe, dass ich die Rennen einfach als Fan geniessen kann. Ob das gelingt, weiss ich noch nicht.

Schauen Sie diesen Winter jedes Ski­rennen?
Wahrscheinlich schon. Ich bin ja immer noch mit Leidenschaft dabei. Und Skirennen kann man ja überall auf der Welt schauen.

Also mal in der Karibik Ferien machen und Rennen schauen?
Nein! Dafür liebe ich den Winter zu sehr. Und kann ihn jetzt auch geniessen. Ich werde ja auch bei einigen Rennen dabei sein. In Val Gardena, am Lauberhorn und sicher bei den Olympischen Spielen. Ich muss am Ball bleiben. Ich bin ja immer noch Skiexperte beim BLICK. Aber jetzt muss ich bei diesem Interview eine Pause machen. Es läutet an der Haustüre. Ich rufe zurück.

(Dreissig Minuten später?) Wer war an der Haustüre?
Roland Collombin, mein eins­tiger Rivale. Er ist auf einen Kaffee vorbeigekommen. Seine Tochter feiert Geburtstag im Hotel Chedi in Andermatt.

Feiert sie mit ihrem Freund Christian Constantin?
Davon gehe ich mal aus.

Zurück zum Thema: Marc Girardelli wird als neuer TV-Experte bei den Männerrennen im Einsatz sein. Hat er Sie um Tipps gefragt?
Wir haben uns öfters getroffen. Einmal haben wir vier Stunden Golf gespielt. Natürlich war Ski das grosse Thema. Aber er braucht keine Tipps. Er hat seinen eigenen Stil.

Wird er nervös sein?
Ich denke schon, dass er einen ge­wissen Respekt vor der Aufgabe hat.

Was erwarten Sie vom Schweizer Team in der neuen Saison?
Es geht ja jetzt mit technischen Wettbewerben los. Da werden wir weiter hartes Brot essen. Wir sind einfach eine Speed-Nation. Und die Verletzung von Carlo Janka ist ein zusätzlicher Schock. Ich bin überzeugt, dass er mit den kürzeren Ski den Anschluss an die Spitze wieder geschafft hätte. Jetzt soll er nichts überstürzen und die Verletzung kurieren. Er ist 31. Er kann noch vier, fünf goldene Jahre haben.

Also gibt es am Wochenende keine Podestplätze?
Jetzt, da Lara Gut startet, ist das schon möglich. Und die Jungen müssen den nächsten Schritt machen. Es fehlen ja viele Favoritinnen und Favoriten. Da muss man bereit sein. Auch einer wie Justin Murisier hat das Podest in den Beinen.

Und was trauen Sie Lara Gut zu?
Mein erster Reflex war: Was soll das, Lara? Ich weiss nicht, wie kurzfristig sie das ent­schieden hat. Es kann funktionieren, aber der Schuss kann auch nach hinten losgehen. Wer in diesem Steilhang eine Chance haben will, der braucht hundertprozentige Überzeugung. Sonst ist man chancenlos. Ob sie diese Überzeugung nach der schweren Verletzung schon hat, wird man heute sehen.

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