Man sollte es nicht verschreien. Aber: Wendy Holdener hat heute alles, um ihren Premieren-Sieg im Slalom zu feiern! Es wäre der erste Schweizer Zickzack-Erfolg bei den Frauen seit unglaublichen 16 Jahren. Wir erinnern uns: Am 20. Januar 2002 gewann Marlies Oester in Berchtesgaden (De). «Ich bin extrem guten Mutes, Wendys Chancen sind hervorragend», sagt Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann. Aber: Woher rührt der Optimismus, welcher längst nicht nur er in sich trägt? Es gibt fünf Gründe, die von einem Schweizer Erfolg träumen lassen.
Holdener ist in Top-Form. Vor der Anreise ins Bündnerland legte Wendy zwei Slalom-Trainingstage ein. «Sie liefen super», sagt sie. Das sind ungewohnt euphorische Töne für eine Frau, die bekannt dafür ist, extrem streng zu sich selbst zu sein. Bei ihrem Kombi-Sieg am Freitag bewies die 24-Jährige dann eindrücklich, wozu sie fähig ist. Und: Holdener kann mittlerweile auf jeder Piste glänzen – auch Schläge und Rillen bringen sie nicht mehr aus dem Konzept.
Der grösste Druck ist weg. «Es ist schön, so in ein Wochenende zu starten», sagte Wendy nach ihrem Triumph in der Kombi. Auch wenn sie selbst am meisten von sich erwartet, gibt ihr der 3. Weltcup-Sieg grosses Vertrauen. Das sieht auch Alpin-Direktor Stéphane Cattin so: «Wendy ist locker drauf, die Erfolge machen sie noch sicherer.»
Shiffrin zeigt Schwächen. «Niemand ist unschlagbar», sagt Mikaela Shiffrin seit Jahren gebetsmühlenartig. Und siehe da: Das US-Wunderkind machte zuletzt ungewohnte Fehler. In Cortina (It) und am Kronplatz (It) schied sie aus und beim Riesenslalom am Samstag landete sie «nur» auf Rang 7. Lehmann: «Shiffrin fährt nicht mehr so bestechend wie zu Beginn der Saison. Auf mich wirkt sie etwas müde.»
«Wendymanie» ist ausgebrochen. Wenn tausende Fans «Wendy, Wendy, Wendy!» schreien, obwohl diese den zweiten Riesenslalom-Lauf verbockt, weiss man: Das ist echte Liebe! Holdener selbst fühlt sich pudelwohl im Bündnerland: «Die Menschen geben mir viel Energie. Man behandelt mich hier den ganzen Tag sehr gut.»
Oester drückt die Daumen. Marlies Oester (41) ist die letzte Schweizer Slalom-Siegerin. Die Adelbodnerin, die 2005 zurücktrat, sagt: «Ich würde diesen Titel nur allzu gerne abgeben.» Und: «Ich bin überzeugt, dass es Wendy schaffen kann. Es würde mich freuen, wenn sie mich ablösen würde!»
Ob Holdener den Sieg nun holt oder nicht: Fest steht, dass nach 14 Podestplätzen ihr jeder den ersten Slalom-Sieg gönnen würde. Gleichzeitig warnt Frauen-Cheftrainer Hans Flatscher: «Ich habe früher auch schon gedacht, dass Shiffrin schwächeln würde. Und dann habe ich mir die Finger verbrannt, weil sie wieder alle deklassiert hat.» Schwarzmalen will Flatscher will aber nicht. Er meint: «Wendy ist auf jeden Fall parat!»