Auf den Peinlich-Start folgt der Überraschungs-Sieg
Jetzt lacht niemand mehr über Valérie Grenier

Als erste Kanadierin seit Kathy Kreiner im Jahr 1974 gewinnt Valérie Grenier einen Riesenslalom. Sie schlägt in Kranjska Gora (Sln) den Favoritinnen ein Schnippchen.
Publiziert: 09.01.2023 um 08:02 Uhr
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Aktualisiert: 09.01.2023 um 11:00 Uhr
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Erster Podestplatz, erster Sieg: Valérie Grenier gewinnt den ersten Riesenslalom in Kranjska Gora.
Foto: AFP
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Mathias GermannReporter Sport

Es ist ein Fehler, der bei einigen für Lacher und bei anderen für Mitleid sorgt. Vor gut einer Woche führt Valérie Grenier (26) nach dem ersten Lauf des Riesenslaloms von Semmering (Ö), als sie disqualifiziert wird. Der Grund: Sie löste ihr Starttor zu früh aus.

Peinlich? Vielleicht. Wohl aber eher ungeschickt. Sicher ist: Spätestens jetzt lacht niemand mehr über Grenier. Die Frau aus Ontario, die im berühmten Skigebeit Mont-Tremblant das Skifahren lernte, überrascht in Kranjska Gora (Sln) am Samstag alle und gewinnt. «Ich bin wirklich stolz auf mich. Ein Traum wird wahr», sagt sie strahlend. Tags darauf wird sie Sechste – auch das, ein Top-Resultat.

Erster Kanada-Triumph seit 1974

Grenier ist die erste Kanadierin seit Kathy Kreiner im Januar 1974, die bei einem Weltcup-Riesenslalom die Schnellste ist. Kreiner? Genau, sie triumphierte 1976 in Innsbruck im Olympia-Riesenslalom vor der kürzlich verstorbenen Rosi Mittermaier (1950–2023).

Nur allzu gerne würde auch Grenier eines Tages Riesenslalom-Gold holen, die nächste Chance dafür bietet sich am 16. Februar bei der WM in Méribel (Fr). Klar ist bereits jetzt: Grenier wird auch dann versuchen, die lange Zeit festgefahrene Riesen-Hackordnung aufzubrechen.

Grenier gelingt die Rache

Der Ursprung von Greniers Sternstunde im Nordwesten Sloweniens liegt fast drei Jahre zurück. Und er ist tragisch. Rückblick: Am 6. Februar 2019 hebt sie beim Training zur WM-Abfahrt in Are (Sd) nach einer Welle ab, sie rettet sich zunächst und fährt entlang der B-Netze weiter. Doch dann verfängt sich die Spitze ihres linken Skis doch noch in den Maschen, Grenier wird herumgeschleudert und bleibt schwer verletzt liegen. Die Diagnose ist niederschmetternd: Schien- und Wadenbeinbruch, dazu ein Knöchelbruch.

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Als Grenier nach einer langen Heilungs- und Reha-Phase erstmals wieder auf den Ski steht, freut sie sich riesig. Alles läuft gut. Doch dann, beim ersten Speed-Training, geht auf einmal nichts mehr. «Ich hatte Angst. Ein Gefühl, dass ich zuvor nie gehabt hatte», erzählt Grenier gegenüber dem TV-Sender CBC. Sie sei an den Pistenrand und habe bei ihrem Trainer angehalten. «Ich begann zu weinen, weil ich mich für meine Angst schämte.» Kurz darauf entscheidet sich Grenier, nie mehr eine Abfahrt zu bestreiten. «Im Hinterkopf war der Gedanke, dass ich mich wieder verletzen könnte.» Seit ihrer Entscheidung hat Grenier tatsächlich nie mehr eine Abfahrt bestritten, sondern nur noch Super-Gs und Riesenslaloms.

Zurück zum Anfang. Dachte Grenier, im grössten Moment ihrer Karriere, noch an das Start-Missgeschick in Semmering zurück? Die Antwort folgt auf dem Fuss: Ja. «Dieses Erlebnis hat ein Feuer in mir entfacht, ich wollte meine Rache – allerdings nur für mich, weil ich es ja an jenem Tag verbockt habe.» Fakt ist: Diese Rache ist Grenier eindrücklich geglückt.

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