Es hat einige Momente gegeben, in denen Alina Odermatt wegen ihres erfolgreichen Bruders gelitten hat. Zumindest indirekt. Während der sechsfache Junioren-Weltmeister Marco bereits als 19-Jähriger seine ersten Weltcup-Punkte herausfährt und mit 21 zwei Podestplätze auf dem Konto hat, kommt Alina in ihren ersten Jahren auf Fis-Stufe eher mühsam auf Touren. «Zu diesem Zeitpunkt hat jeder gewusst, dass ich die kleine Schwester vom grossen Talent Marco bin. Das hat die Situation für mich nicht gerade einfacher gemacht.» Doch Alina, die dem nationalen Leistungszentrum von Swiss Ski angehört, fightet weiter.
«Sie hat gewisse Stunden nicht optimal genutzt»
Ein Kampf, der am Ende der letzten Saison erstmals belohnt wird. An der Schweizer Meisterschaft der Junioren gewinnt die Nidwaldnerin Bronze im Super-G und in der Kombination. Weil sie kurz darauf an der Sportschule in Engelberg erfolgreich die KV-Ausbildung abgeschlossen hat, nimmt Alina die neue Saison mit mehr Zuversicht in Angriff. «Nach der bestandenen Lehrabschlussprüfung habe ich den Kopf nun erstmals komplett frei für den Rennsport. Ich glaube fest daran, dass sich dies positiv auf meine Resultate auswirken wird.»
Bruder Marco glaubt aber noch aus einem anderen Grund an eine Leistungssteigerung seiner Schwester: «Ich habe Alina in der Vergangenheit ein paar Mal gesagt, dass sie härter trainieren muss. Eine Zeit lang hat sie gewisse Stunden nicht optimal genutzt. Aber das hat sich bei ihr sehr stark verbessert. Im letzten Sommer haben wir ab und zu gemeinsam Kondition trainiert, Alina hat dabei einen sehr guten Eindruck gemacht.»
Marco ist Alinas Götti
Marco und Alina Odermatt treiben sich aber nicht nur in der «Folterkammer» gemeinsam an, die beiden haben auch abseits des Leistungssports ein sehr herzliches Verhältnis. Beide leben nach wie vor in ihrem Elternhaus in Buochs bei Mutter Priska und Vater Walti. Und wie wichtig Marco für Alina ist, unterstreicht die Tatsache, dass sie sich ihn vor ein paar Jahren als Firmgötti ausgesucht hat. «Ich kenne ausserhalb meiner Familie niemanden, dem ich alles anvertrauen kann. Deshalb habe ich meinen Bruder als Firmgötti gewählt.»
Der Gutschein, den Alina von Marco zur Firmung erhalten hat, wird aber vielleicht nie eingelöst werden. «Marco hat mir einen Gutschein für einen Tandem-Fallschirmsprung geschenkt, den wir eigentlich gemeinsam einlösen wollten. Aber dann ist sein Teamkollege Gian Luca Barandun beim Gleitschirmfliegen tödlich verunglückt. Dadurch ist uns die Lust auf luftige Abenteuer vergangen.»
Dafür schüttet Alina eine Menge Adrenalin aus, wenn sie Marcos Weltcup-Einsätze verfolgt. «Ich fiebere vor dem Fernseher und dem Live-Ticker wirklich extrem mit meinem Bruder mit. Oft sitze ich in solchen Momenten ganz alleine in unserer Wohnstube, weil meine Mutter bei Übertragungen von furchterregenden Abfahrten wie im letzten Jahr in Bormio nicht zuschauen kann und spazieren geht.»
In Zurbriggens Spuren
Es gibt aber auch die seltenen Momente, in denen sich Alina von Marco abwendet. «Manchmal ertrage ich ihn schlecht, weil er zu sehr den supercoolen grossen Bruder raushängen lässt!»
Dabei ist das grösste Schweizer Alpin-Allround-Talent seit Pirmin Zurbriggen in solchen Phasen ganz besonders auf die modischen Inputs seiner 19-jährigen Schwester angewiesen. «Unlängst hat er sehr stylische Winterschuhe erhalten. Er hat mich dann gefragt, wie man diese Schuhe am besten bindet, damit er damit auch richtig cool ausschaut ...»
Es spricht tatsächlich viel dafür, dass uns Marco und Alina Odermatt einen besonders coolen Ski-Winter bescheren werden.