Österreichs Ski-Hippie Manuel Feller ist berühmt für seine speziellen Philosophien. Am Freitagabend erklärt der Tiroler im Gespräch mit dem ORF-Reporter, warum die Riesen-Serie von Marco Odermatt ausgerechnet beim Heimspiel am Chuenisbärgli reissen könnte. «Das Rennen in Adelboden will der Odi vor den eigenen Fans noch mehr gewinnen als einen Wettkampf im Ausland. Und das könnte dazu führen, dass er zu viel will und dadurch einen kapitalen Fehler macht.»
Tatsächlich wirkt der Nidwaldner vor seinem Heimrennen, das witterungsbedingt vom Reserve-Start aus lanciert wird, besonders geladen. Auf einen Fehler warten seine Widersacher aber im ersten Durchgang vergebens – der Weltmeister und Olympiasieger packt auf der verkürzten Strecke einen Traumlauf aus und liegt bei Halbzeit über eine Sekunde vor dem Österreicher Stefan Brennsteiner.
Brillen-Alarm vor dem entscheidenden Lauf
Trotz dieser komfortablen Führung kommt vor dem entscheidenden Durchgang im Schweizer Lager plötzlich Unruhe auf. Grund: Odermatt hat zwei Skibrillen am Start, beide sind aus unerklärlichen Gründen beschädigt. Und weil das Chuenisbärgli teilweise in Nebel gehüllt ist, kommt es in diesem Rennen auf die Brille besonders an.
Im Endeffekt ist es die Physiotherapeutin Laura Herr, die dafür sorgt, dass Odermatt den Durchblick behält. Sie fährt blitzartig ins Schweizer Mannschaftshotel «Steinmattli» und schnappt sich in Odermatts Zimmer eine Ersatzbrille. Danach bringt ein Schweizer Slalom-Trainer die Brille zu Odermatt. Und der liefert daraufhin ein weiteres Meisterstück ab.
Während Stefan Brennsteiner den schwierigen Bedingungen Tribut zollt und vom zweiten auf den 19. Rang zurückfällt, fährt Odermatt, ohne ein einziges Mal in Rücklage zu geraten, seinen dritten Chuenisbärgli-Sieg in Folge und den 29. Weltcup-Triumph ein. In der Endabrechnung liegt er 1,26 Sekunden vor Norwegens Speed-Champion Aleksander Aamodt Kilde, der zum ersten Mal in seiner Weltcup-Laufbahn den Sprung aufs Riesenslalom-Podest schafft.
«Marco hätte schneller fahren können»
Die Analyse des Schweizer Riesenslalom-Cheftrainers Helmut Krug dürfte der Konkurrenz besonders wehtun: «Marco ist noch lange nicht am Limit, der hätte im zweiten Lauf noch eine Sekunde schneller fahren können. Aber es gibt ja keinen Grund, dass er mit vollem Risiko einen Sturz riskiert, wenn es auch so für den Sieg reicht.»
Der ehemalige Hermann-Maier-Coach Christian Höflehner, der seit ein paar Jahren als Rennchef von Kildes Ausrüster Atomic tätig ist, untermauert die These von Odermatts Trainer: «Wenn Marco voll durchgezogen hätte, hätte er dieses Rennen vielleicht sogar mit drei Sekunden Vorsprung gewinnen können. Der Typ ist definitiv nicht normal! Aber er ist ein Segen für unseren Sport, weil er nicht nur unglaublich gut Ski fährt, sondern auch noch wie ein Model aussieht und neben der Piste unfassbar nett ist.»
Seit sieben Riesenslaloms ist der abnormal starke Odermatt nun ungeschlagen. Nur einer kann eine noch eindrücklichere Serie vorweisen – Schwedens Jahrtausend-Sportler Ingemar Stenmark hat zwischen 1978 und 1980 14 Riesenslaloms in Folge gewonnen.