Sie war an Militär-Weltspielen dabei
Morddrohungen gegen angebliche Patientin null

Die Militär-Weltspiele in Wuhan im letzten Oktober könnten ein «Superspreader» für das Coronavirus gewesen sein. Indizien sprechen dafür.
Publiziert: 09.05.2020 um 16:08 Uhr
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Corona-Hotspot: Fast 10'000 Athleten aus 110 Ländern und dazu 230'000 freiwillige Helfer standen bei den Militärspielen in Wuhan im Einsatz.
Foto: imago images/Xinhua

Maatje Benassi lebt in Angst. «Es ist, wie von einem Albtraum in den nächsten zu stürzen», klagt die Radsportlerin und Reservistin der US Army. Seit sie Ende Oktober von den Militär-Weltspielen in Wuhan heimkehrte, ist nichts, wie es war: «Wenn jemand
meinen Namen googelt, wird dort für immer stehen: Patient null.»

Die 52-Jährige erhält Morddrohungen. Sie wurde zwar weder positiv auf das Coronavirus getestet, noch hatte sie je Symptome – es ist schlicht alles Unfug. Doch ein bekannter Verschwörungstheoretiker mit grosser Youtube-Reichweite hat beschlossen, sie habe Wuhan als lebende Biowaffe betreten: um China zu schaden, das den USA den Platz an der Sonne streitig macht.

Interessant: Mehrere Indizien nähren die Theorie, die Armee-Weltspiele mit fast 10'000 Athleten aus 110 Ländern seien ein Corona-«Superspreader» gewesen. Womöglich sogar der erste. Italiens Fecht-Olympiasieger Matteo Tagliariol: «Als wir in Wuhan eintrafen, sind wir alle erkrankt. Alle sechs Personen in meiner Wohnung waren krank, auch viele Athleten anderer Delegationen», erzählt der 37-Jährige dem «Corriere della Sera».

Auch Sohn infiziert

Er habe schwer gehustet, nach der Rückkehr bekam er «sehr hohes Fieber, ich konnte kaum atmen. Auch Antibiotika halfen nicht.» Schliesslich habe sich sein zweijähriger Sohn infiziert, dann seine Freundin. «Als man begonnen hat, vom Virus zu sprechen, dachte ich: Ich habe mich angesteckt. Das war Covid-19.»

Zwar wird der erste offizielle Corona-Fall weiterhin auf Anfang oder Ende Dezember datiert, doch Studien legen einen früheren Ausbruch nahe. Forscher haben errechnet, dass dieser mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit zwischen 13. September und 7. Dezember stattgefunden hat – die Weltsoldatenspiele liefen vom 18. bis 27. Oktober.

10'000 Menschen, die sich, aus aller Welt kommend, an einem Ort versammeln und nach zehn Tagen zurückreisen, dazu 230'000 Helfer – alles in einer Elf-Millionen-Stadt. Das klingt als Verteilerkreisel geradezu logisch.

«Gab verschiedene Erkrankungen»

Laut der französischen Sporttageszeitung «L’Equipe» haben sich die frühere Fünfkampf-Weltmeisterin Elodie Clouvel («Wir waren alle krank») und ihr Kollege Valentin Belaud, Weltmeister 2019, wahrscheinlich ebenfalls bei den Spielen in Wuhan infiziert. Weitere Fälle werden aus Italien gemeldet, in Luxemburg gibt es zumindest einen Verdacht.
Ähnliches wird aus Deutschland berichtet. «Es gab in unserem Umfeld verschiedene Erkrankungen. Im Nachhinein haben wir natürlich schon gescherzt: Wuhan, da waren wir doch, das kannte vorher ja keiner», so die deutsche Luftpistolenschützin Sandra Reitz gegenüber «SID».

Und die Schweiz? Sie war mit 72 Athleten und 37 Delegationsmitgliedern (Betreuer, Trainer, Schiedsrichter) in Wuhan dabei. Das Team holte 13 Medaillen. Die bekanntesten Sportler waren die OL-Stars Matthias Kyburz und Elena Roos, Leichtathletin Geraldine Ruckstuhl und der schnellste Schweizer Schwimmer, Jeremy Desplanches. Vor Erkrankungen ist bisher nichts bekannt.

Maatje Benassi ist indes sicher, nicht vom Virus befallen gewesen zu sein. Dennoch steht ihr Leben kopf – besonders seit chinesische Medien die Verschwörungstheorie als willkommene Ablenkung entdeckt haben. (sid/md)

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