Seit zwei Tagen ist Marcel Bieri allein im Schulzimmer. Dort, wo sonst 24 Fünftklässler rechnen, schreiben und lesen, stehen jetzt die Stühle auf den Tischen. Es ist ruhig. Das bleibt in den nächsten Wochen so. Im Kanton Aargau sind Sommerferien.
So weit, so normal. Doch der 24-jährige Bieri ist kein durchschnittlicher Lehrer. Nicht nur, weil er als Mann unter den Primarlehrkräften ein Exot ist: Auf Primarstufe unterrichten zu 86 Prozent Frauen, in seinem Schulhaus ist das Verhältnis von Frauen zu Männern 22:3.
Nein, Bieri ist Schwinger. Und Schwinger haben viele Berufe, sie sind Landwirte, arbeiten auf dem Bau, sind Lastwagenchauffeure, Lehrer sind sie für gewöhnlich nicht. Auch Bieri liess sich zunächst zum Zimmermann ausbilden, bevor er Primarlehrer wurde. «Ich hatte immer das Gefühl, dass ich gut erklären kann, schon früher in der Schule habe ich das gerne gemacht», sagt er und grinst, «auch wenn inhaltlich nicht immer alles richtig gewesen sein mag.»
Der für seinen Sport ungewöhnliche Job entgeht natürlich auch den Schwing-Kollegen nicht. «Da kommen schon mal ein paar Sprüche», sagt der 26-fache Kranzschwinger, der 2017 das Zuger Kantonale gewann. «Ein ‚Herr Bieri’ höre ich ab und zu. Aber das passt schon so.»
Was ihn zum Primarlehrer werden liess? «Ich hatte gute Vorbilder», erinnert sich Bieri an seine Schulzeit. «Eine Reihe guter Lehrer. Das hatte sicher einen Einfluss.» Auch wenn er selber nicht der fleissigste Schüler gewesen sei. «Ich war lange ein Minimalist. Erst als es um die Berufsmatura ging, habe ich den Knopf aufgemacht. Also zu dem Zeitpunkt, als ich wusste, wofür ich lerne.»
Erklären und beibringen tut Bieri heute korrekt - und vor allem hauptberuflich. In Rudolfstetten-Friedlisberg, 4000 Einwohner, Kanton Aargau, eine gute Viertelstunde vor den Toren Zürichs. Seit einem Jahr, es ist seine erste Stelle. 40 Minuten lang ist der Arbeitsweg von seinem Wohnort Edibach im Kanton Zug. Gute Voraussetzungen, um Privates, Berufliches und Sport zu trennen. Zumal Rudolfstetten-Friedlisberg nun wirklich nicht als Schwing-Hochburg durchgeht. «Ich weiss gar nicht, wo der nächste Schwingklub wäre», sagt Bieri.
«Gälled Sie, Sie haben verloren?»
«Ich gehe auch nicht besonders offensiv damit um, dass ich Schwinger bin. Ich bin ja als Lehrer hier.» Und doch haben die Fünftklässler den 1,90 m grossen Turner-Schwinger mittlerweile auf dem Schirm – dank Medienberichten und Livestreams. Bieri grinst breit: «Es ist herzig, als ich letztes Jahr im Stoos-Schlussgang stand, kamen sie und haben gemeint: Gälled Sie, Sie haben verloren?» Und die Eltern? «Die wissens schon auch – und fragen manchmal nach Tickets fürs Eidgenössische.»
Zuletzt gab es für die Schützlinge von Bieri aber vor allem Grund für Glückwünsche. Beim Zuger Kantonalen stand ihr Klassenlehrer wieder im Schlussgang, vier Kränze hat er diese Saison bereits geholt. Das grosse Ziel: Das Eidgenössische Ende August in Zug. «Dort will ich den Kranz holen.» Vor drei Jahren scheiterte er knapp. Die Scharte soll nun ausgewetzt werden, auch dank professionellerer Ernährung und harter Arbeit im Winter. «Ich merke schon, dass ich fitter bin», so der Mann, der im Sägemehl häufiger ein Lachen im Gesicht hat als die meisten Kontrahenten.
Und auch das erste Schuljahr scheint eher mit einem Lachen als mit einem Weinen zu enden. Auch wenn das Leben als Jung-Lehrer nicht nur einfach ist. «An der Pädagogischen Hochschule sagen sie dir zu Beginn: Im ersten Jahr musst du überleben», sagt Bieri. «Ein sehr guter Tipp. Natürlich willst du deinen Ansprüchen, denen der Schule und denen der Eltern gerecht werden. Aber zu Beginn musst du dich wirklich erst reinfinden.» Klingt martialisch. Ganz so tragisch scheint es dann allerdings nicht geworden zu sein. Bieri zumindest klingt positiv: «Ich habe sehr gut überlebt und habe das Gefühl, eine sehr gute Beziehung zu den Kindern zu haben. Ich freue mich aufs nächste Jahr!» Dann werden seine Fünfklässler bereits Sechstklässler sein - und die Chancen stehen gut, dass sie dann einen echten Eidgenossen als Klassenlehrer haben.
Innerschweizerisches in Flüelen
Pirmin Reichmuth – Armon Orlik
Joel Wicki – Kilian von Weissenfluh
Sven Schurtenberger – Samir Leuppi
Christian Schuler – René Suppiger
Benji von Ah – Roger Erb
Andi Imhof – Nick Alpiger
Mike Müllestein – Pascal Piemontesi
Andreas Ulrich – Philipp Gloggner
Marcel Mathis – Benjamin Gapany
Erich Fankhauser – Alex Schuler
Reto Nötzli – Lutz Scheuber
Marcel Bieri – Martin Rolli
Matthias Herger – Joel Ambühl
Appenzellisches in Stein
Michael Bless – Domenic Schneider
Raphael Zwyssig – Tobias Krähenbühl
Marcel Kuster – Arnold Forrer
Beni Notz – Fabian Kindlimann
Innerschweizerisches in Flüelen
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