Bruno Gisler ist der ungekrönte König der Nordwestschweiz. Der für den Solothurner Kantonalverband schwingende Zürcher Oberländer triumphierte vier Mal am Nordwestschweizerischen und hat 123 Kränze gewonnen. Damit liegt der Landwirt und dreifache Familienvater im ewigen Eichenlaub-Ranking hinter Nöldi Forrer (145), Hans-Peter Pellet (136), Markus Thomi (132) und Karl Meli (124) an fünfter Stelle.
Doch in diesem Moment fühlt sich der grosse Bruno (1,90 m/103 kg) eher wie ein kleiner Bub, der zum ersten Mal in seinem Leben an einer lärmigen Motocross-Strecke steht. Zum Glück hat Gisler mit dem Schwyzer Andy Bürgler den aktuell erfolgreichsten Schweizer SeitenwagenPiloten an seiner Seite – der 39-Jährige hat mit seinem Passagier Martin Betschart mehrere WM-Podestplätze eingefahren.
Nun soll Bruno Gisler bei einer Testfahrt in Ederswiler JU die Rolle des «Plampi» übernehmen. «Bruno, du bist als Beifahrer in erster Linie für die Traktion auf dem Hinterrad verantwortlich. Dafür braucht es von dir die optimale Gewichtsverlagerung, in den Linkskurven musst du weit hinausliegen», erklärt Bürgler und startet den Motor seiner 75 PS starken KTM. «Gehe auf deinen Posten, Bruno. Wir probieren es am besten gleich einmal aus!»
Mit rund 80 km/h heizt das neue Gespann Bürgler/Gisler los. Der 20-fache Kranzfestsieger hält sich verkrampft an seiner Stange, vor der ersten Linkskurve nach der steilen Abfahrt fragt sich Gisler: «Wie weit darf ich mich wirklich hinauslehnen, ohne dass das Gefährt kippt?»
Die Antwort: Bruno lehnt sich bei der ersten Schikane zu wenig weit hinaus, der Hinterreifen dreht durch. Doch Gisler lernt schnell, in der zweiten Runde kommen die beiden schon viel besser um die Kurven, und ihre Sprünge gehen immer weiter. Bürgler streckt den Daumen hoch: «Bruno, du machst das richtig gut.»
Nach fünf Runden hat «Plampi» Gisler genug, Bürgler fährt zurück an die Boxen. Gisler nimmt seinen Helm ab und meint mit einem süsssauren Lächeln: «Es hat viel Spass gemacht, aber meine Arme sind jetzt genauso hart wie nach einem 12-Minuten-Schlussgang mit Chrigu Stucki. Wirklich anstrengend.»
Als Lohn für diesen extremen «Chrampf» bekommt Gisler ein Lob von Meister Bürgler: «Du bist ein echtes Talent. Du hast nicht nur enorm viel Kraft, du bist zudem sehr beweglich und schnell.»
Wie schnell und beweglich der 34-jährige Gisler noch ist, musste im Mai am Aargauer Kantonalen Armon Orlik erfahren. Gisler donnerte den erfolgreichsten Schwinger des letzten Jahres mit einem «Hüfter» so heftig auf den Rücken, dass Orlik für ein paar Sekunden wie gelähmt liegen blieb. «Nie zuvor hatte ich nach einem Sieg ein so schlechtes Gefühl wie in diesem Fall. Ich hatte Angst, dass Armon nach meinem Wurf nie mehr aufstehen kann.»
Doch jetzt geht es Orlik ja wieder so gut, dass es am Unspunnen zur Revanche gegen Gisler kommen könnte. Ein Vollgas-Spektakel wäre bei diesem Wiedersehen garantiert.