Samuel Giger, Sie haben auf der Schwägalp ein Heimspiel. Was bedeutet Ihnen das Ostschweizer Bergfest?
Giger: Ein Heimfest ist immer wichtig. Dieses Jahr vielleicht noch ein bisschen wichtiger als sonst, schliesslich gibt es keinen Eidgenössischen Anlass. Und die Besetzung mit Innerschweizern und Bernern ist sehr stark. Das wird ein hartes Stück Arbeit.
Sie haben gegen die anderen Schwägalp-Favoriten eine positive Bilanz und sind darum für viele Beobachter der Siegesanwärter Nummer 1. Sehen Sie sich selber auch als Top-Favorit?
Man macht sich vor solchen Festen sicher viele Gedanken. Für mich ist es das wichtigste, dass ich meine Leistung bringe. Damit es ganz nach vorne reicht, dafür muss vieles zusammenpassen. Im Kopf und körperlich, man muss in einen Lauf kommen.
Das klingt sehr bescheiden: Sie haben in dieser Saison fünf von fünf Kranzfesten gewonnen. Besser geht es nicht…
… es läuft mir gut, das kann man sagen.
Können Sie sich an Ihre letzte Niederlage an einem Kranzfest erinnern?
Ja. Das war gegen Schwingerkönig Matthias Sempach. Er hat mich damals im zweiten Zug bezwungen, mit einem sehr schönen Übersprung.
Das war Anfang Juli 2017, vor über einem Jahr. Wie wichtig ist Ihnen diese Serie der Ungeschlagenheit?
Darüber habe ich in den letzten Wochen und Monaten nicht so viel nachgedacht. Es ist eine schöne Serie, aber man braucht dazu immer auch immer Glück. Das ist für euch Medien wahrscheinlich spannender als für mich. Davon abgesehen habe ich an einem kleineren Fest dieses Frühjahr einen Gang verloren. Verlieren gehört dazu, das wird auch für mich irgendwann auf der grossen Bühne wieder so sein.
Sie absolvieren im Moment die Rekrutenschule. Und zwar die reguläre, nicht die Sportler-RS in Magglingen. Wollten Sie bewusst keine Extrawurst?
Es ist klar, die Sportler-RS kann man nicht mit der normalen RS vergleichen. Die Sportler-RS war sicher ein Thema für mich, aber ich kann als Motorfahrer in Frauenfeld den Lastwagen-Führerschein machen. Das war für mich ein Faktor für meine berufliche Zukunft. Und dazu ist die RS auch eine Zeit, in der du von der Kameradschaft her viel erlebst, das gehört auch dazu.
Und der militärische Teil? Wie schlägt sich Rekrut Giger?
Das Militärische gehört halt dazu, das musst du halt machen. So richtig gern macht das wohl niemand. Aber wir haben es gut unter den Kameraden. Ich habe auch schon ein paar Mitrekruten zum Schwingen hingeführt. Es gibt einige, die interessiert mittlerweile, was am Wochenende im Sägemehl gelaufen ist, obwohl sie davor mit Schwingen nicht viel am Hut hatten.
Sie haben seit Ihrem RS-Start auf dem Weissenstein und beim Nordwestschweizerischen gewonnen. Können Sie im Militär überhaupt vernünftig trainieren?
Ich kann nicht genau gleich viel machen wie vorher, aber es geht. Viermal Training pro Woche liegt drin, das haben wir im Vorfeld so abgeklärt. Da hilft man mir bei der Armee.
Nun ist die RS aber auch eine Herausforderung, Sie müssen sich an einen anderen Rhythmus gewöhnen, an eine andere Form der körperlichen Belastung. Wie wirkt sich das auf Ihre Leistung aus?
Es ist schon eine Umstellung. Man muss sich organisieren. Aber der Mensch ist anpassungsfähig, das geht für mich schon.
Auf die für Spitzensportler empfohlenen neun Stunden Schlaf kommen Sie im Moment wohl nicht …
… (lacht) aber nicht wegen der RS. Während der Lehre hatte ich rund sieben Stunden, am Wochenende vielleicht mehr. Und als Motorfahrer sind uns im Militär sechs Stunden Ruhezeit vorgeschrieben, wenn wir am nächsten Tag fahren müssen. Für fünfeinhalb Stunden Schlaf reicht es da jeweils schon.
Ihre grosse Stärke ist der Kurz. Aber auf dem Weissenstein haben Sie Beat Wickli mit einem Hüfter gebodigt, einem Schwung, den wir von Ihnen davor noch nicht gesehen hatten. Wie lange hatten Sie den schon in der Hinterhand?Im Training hat der schon ab und zu geklappt, am Fest kam er dann automatisch, das war gar nicht bewusst. Ich arbeite immer daran, vielseitiger zu werden, die Technik zu verfeinern, sauber zu trainieren. Vor allem im Winter.
Was nehmen Sie sich für den nächsten Winter vor. Legen Sie sich fürs Eidgenössische eine Geheimwaffe zu?
(lacht) Das kann ich hier doch nicht verraten.
Sie haben bisher auf Sponsoren verzichtet. Ein Grundsatzentscheid?
Ich wollte mich auf die Lehre konzentrieren. Nun werden wir nach der RS sehen, wie es weitergeht, dann werde ich mich mit meinem Umfeld zusammensetzen. Aber ich bin Sponsoring nicht grundsätzlich abgeneigt. Es muss einfach passen. Es wird für mich in Zukunft sicher Sponsoring-Verträge geben.
Schon nächstes Jahr, wenn das Eidgenössische ansteht?
Das werden wir im Winter anschauen.
Auch in den Medien sind Sie normalerweise sehr zurückhaltend, längere Interviews mit Ihnen lassen sich an einer Hand abzählen. Warum eigentlich?Ich habe ja mit 16 Jahren schon ein paar schöne Erfolge bei den Aktiven gefeiert. Damals bin ich ein bisschen überrumpelt worden von den ganzen Medien, darum bin ich lieber zurückhaltend. Ich bin ausserdem auch nicht der, der allzu gerne Auskunft über sich gibt, ich rede nicht so gerne über mich. Das hat sich in den letzten Jahren so entwickelt und sich auch bewährt. Wenn du viele Interviews gibst, dann steigt auch der Druck von aussen. Auch wenn dich das als Sportler ja eigentlich nicht beeinflussen sollte.
Die grosse Samuel-Giger-Hochglanz-Homestory werden wir auch in Zukunft nicht lesen?
(lacht) Eher weniger.
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Adrian Käsers Schwägalp-Favoritencheck
Samuel Giger (20): Er hat die besten Karten, er ist der Top-Favorit. Giger hat alle fünf seiner Kranzfeste gewonnen. Und im Direktduell unter den Grossen 4 hat er die beste Direktbilanz: Stucki hat er 2017 auf dem Brünig geschlagen, Wenger 2017 in Brienz, Wicki 2016 in Ruswil. Der einzige der drei, der ihn überhaupt bezwingen konnte, war Wenger 2014 – das ist lange her. Bei Giger fragt sich, wie sich die RS auf ihn auswirkt. Seit Juli macht er die Rekrutenschule, hat dort eine andere Belastung als auf dem Bau, weniger Schlaf, einen anderen Trainingsrhythmus. Dass er beim Nordwestschweizerischen zuletzt nicht mehr ganz so unwiderstehlich schien, könnte damit zusammenhängen. Aber das ist Jammern auf sehr hohem Niveau.
Christian Stucki (33): Wenn er einen guten Tag hat, wird ihn Giger nicht noch einmal so schlagen wie er es im bisher einzigen Duell getan hat. Die Schwägalp ist für ihn diese Saison ein erklärtes Ziel. Das ist keine gute Nachricht für die Gegner, denn wenn Stuckis Einstellung im Vorfeld stimmt und er von sich überzeugt ist, dann wird es für alle anderen richtig schwierig. Dazu kommt, dass er vielseitig schwingt, rechts und linksherum. Mal sehen, wie er gegen Bösch in den Tag startet. Wenn er früh ins Rollen kommt, ist der Stucki-Express nur schwierig aufzuhalten.
Joel Wicki (21): Der dritte im Bunde der Topfavoriten. Er überrascht alle: Mit 1,82 m dachte man, dass ihm körperlich gewisse Grenzen gesetzt seien. Aber er kann seinen Kurz auch gegen grössere Gegner richtig stark ziehen, hat allen das Gegenteil bewiesen. Sein Duell mit Giger im 1. Gang wird hochinteressant, die Frage wird sein: Wer zieht schneller? Vielleicht ist der Respekt gegenseitig so gross, dass wir ein längeres abtasten sehen, als wir es normalerweise gewohnt sind.
Kilian Wenger (28): Der einzige König auf der Schwägalp ist hinter den drei Tenören einzustufen. Er zeigt eine super Saison, seine Form zeigt nach oben. Auf dem Brünig hat er sich gesteigert, aufs Berner Kantonale noch einmal einen Zacken zugelegt. Wenn er jetzt noch einmal zulegen kann, dann ist vieles möglich. Aber wenn er gut in den Tag kommt, wird er ein paar harte Brocken bekommen, die er erst einmal schlagen muss. Ich denke, er wird sich auf jeden Fall in einem guten Kranzrang klassieren.