Riesiges Verletzungspech und viele Aktive verloren
Der Schweiz fehlen plötzlich 500 Schwinger

Nach Jahren des ungebremsten Aufschwungs erschüttert die Corona-Pandemie den Nationalsport. «Wir stecken in einer heiklen Phase», sagt Rolf Gasser, der Geschäftsführer des Verbandes.
Publiziert: 08.07.2021 um 11:39 Uhr
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Aktualisiert: 08.07.2021 um 12:59 Uhr
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Seither geht es bergab: Chrigel Stucki und Joel Wicki im Schlussgang in Zug.
Foto: TOTO MARTI
Felix Bingesser

Das Eidgenössische Schwingfest in Zug 2019 ist ein Anlass der Superlative. 420’000 Zuschauer pilgern in den drei Tagen in die Innerschweiz. Das Budget erreicht mit 38 Millionen Franken einen Rekordwert. Das Eidgenössische hat sich zum grössten Schweizer Sportanlass entwickelt. Es wird spektakulärer Sport in einer begeisternden Atmosphäre geboten. Und Chrigel Stucki wird zum neuen König gekürt.

Es ist der Höhepunkt einer bemerkenswerten Entwicklung. Der einst etwas verstaubte und zeitweise stiefmütterlich behandelte Nationalsport segelt auf einer beispiellosen Erfolgswelle. Die mediale Aufmerksamkeit ist riesig. Alle wollen Teil sein dieser Bewegung. 2004 wurde das Eidgenössische in Luzern erstmals komplett live übertragen. Mittlerweile wird jedes Kantonalfest live in die Stuben gesendet.

Aber Zug war so etwas wie der Kulminationspunkt. Denn die Corona-Pandemie hat das erfolgsverwöhnte Schwingen auf dem falschen Fuss erwischt. Die grosse Party ist vorbei. Natürlich: Alle Sportarten leiden. Aber den Kontaktsport Schwingen hat es mit voller Wucht erwischt.

Rund 500 Schwinger haben ihrem Sport in den letzten zwei Jahren den Rücken zugekehrt. «Wir hatten seit der Jahrtausendwende immer 6000 Aktiv- und Jungschwinger. Jetzt sind es noch 5500», sagt Gasser. Ein Aderlass, der schmerzt. «Nicht alle haben halt den Biss, um fast zwei Jahre diszipliniert zu trainieren und keine Wettkämpfe zu bestreiten», ergänzt Schwingerkönig Nöldi Forrer.

Schwinger müssen weniger abgeben

Und was hat die Krise finanziell für Auswirkungen? Der Verband hat Geld vom Stabilisierungspaket des Bundes erhalten. Und alle Veranstalter haben die Möglichkeit, beim Verband um Unterstützung anzufragen. Auch die Schwinger haben den Antrag gestellt, dass es für sie Erleichterung gibt. Zehn Prozent ihrer Sponsor- und Werbeeinnahmen müssen sie dem Verband abtreten. «Über diesen Prozentsatz werden wir mit den Aktiven nach der Saison reden.» Auch hier dürfte man den Schwingern entgegenkommen, um die gesunkenen Einnahmen abzufedern.

Sorgen macht auch die offensichtliche Häufung von Verletzungen. Mit Joel Wicki (Ellbogen), Arnold Forrer (Meniskus), Pirmin Reichmuth (Kreuzbandriss im Training) hat es prominente Leute erwischt. Neu-Eidgenosse Michael Gwerder hat sich beim Stoos-Schwinget das Kreuzband gerissen, Carlo Gwerder beim selben Anlass zwei Nackenwirbel gebrochen. Auch einige andere Schwinger haben sich zum Teil schwere Verletzungen zugezogen. «Man kann die Kräfte im Schwingen im Krafttraining halt nicht simulieren», sagt der Innerschweizer Verbandsarzt Didi Schmidle. Und auch Gasser sagt: «Wir müssen das mit der Technischen Kommission genau analysieren.»

Ja, der Schwingsport leidet mehr als alle anderen Sportarten. «Aber schlaflose Nächte habe ich keine mehr. Die hatte ich im letzten März. Denn eine zweite Saison ohne Feste hätte uns erschüttert. Jetzt sehe ich doch Licht am Ende des Tunnels», sagt Gasser. Von den 37 Kranzfesten in diesem Jahr sind bis jetzt nur fünf abgesagt worden.

Schnuppertag bei 130 Klubs

Das 125jährige Jubiläumsfest in Appenzell ist mittlerweile auf das Jahr 2024 verschoben worden. Mit dem Kilchberg-Schwinget im September und dem Eidgenössischen in Pratteln 2022 stehen zwei Grossanlässe bevor. In Kilchberg will man 6000 Zuschauer auf dem Gutsbetrieb «Uf Stocken» dabei haben. Das Berner Kantonale plant mit 10000 Zuschauern.

Es sind vor allem diese beiden Feste, die beim Schwingerverband die Hoffnung wecken, dass die Talsohle erreicht ist und bald ein weiteres Stück Normalität dazu kommt. Am 11. September soll es im ganzen Land auch zu einem grossen Schnuppertag für junge Schwinger kommen. 130 der 168 Schwingklubs machen mit. Und versuchen, wieder 500 Jugendliche für den Schwingsport zu begeistern. Um die Corona-Lücke wieder zu schliessen.

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