Lieber Mätthel
Vor ein paar Tagen sind wir während dem Oberländischen Schwingfest in Grindelwald zusammen in der Garderobe gesessen. Wir konnten an diesem Sonntag den königlichen Erwartungen beide nicht ganz gerecht werden. Ich mit meinem siebten Rang schon gar nicht.
Du hast den Wettkampf zwar drei Ränge vor mir beendet. Aber nach deinen beiden gestellten Gängen konnte ich auch in deinem Gesicht eine gewisse Verzweiflung ablesen. Klar, ich weiss es ja aus eigener Erfahrung – das Schwingervolk erwartet von einem König ausschliesslich Siege.
Doch jetzt hast du eine Geschichte geschrieben, die mir wieder einmal vor Augen führt, wie unwichtig unsere Titel, Kränze und Niederlagen im Sägemehl sind. Die Nachricht von deinem Arbeitsunfall am Hasliberg hat auch mich schwer durchgeschüttelt.
Ich kenne dich seit 23 Jahren. Auch darum leide ich nach deinem fürchterlichen Sturz aus der Gondel besonders mit dir. Weil ich dich und deine kämpferische Art auch kenne, glaube ich auch zu wissen, dass du gestärkt aus diesem Horrorfilm kommen wirst.
Du bist im Dezember 1985 geboren, nur vier Monate vor mir. Darum haben sich unsere Wege bereits ziemlich früh auf den Buben-Schwingplätzen gekreuzt. Die Duelle zwischen uns waren von Anfang an von einer besonderen Intensität geprägt. Du warst immer ein besonders zäher, aber jederzeit fairer Kontrahent.
Deshalb habe ich auch unsere gemeinsamen Stunden, die wir auf den Skipisten im Berner Oberland oder während der Trainingscamps auf Gran Canaria verbracht haben, in bester Erinnerung. Als dein Vorgänger auf dem Schwingerthron hat es mich zuletzt auch mit sehr viel Stolz erfüllt, wie du unsere Sportart als König repräsentiert hast. Wortgewandt und intelligent. Aber trotzdem immer sehr bodenständig.
Du bist also definitiv nicht so tief gefallen, weil du abgehoben bist. Aber eben, ich bin fest davon überzeugt, dass du schon bald wieder aufstehen wirst. Und zwar nicht nur, weil du ein zäher und starker Zeitgenosse bist. Bereits bei den Buben-Schwingfesten ist mir die besonders gute Chemie in der Familie Glarner aufgefallen. Deine Mutter und dein Vater haben dich dort nie alleine gelassen.
Ich weiss, dass du auch zu deiner Schwester Katrin und zu deinem Bruder Stefan einen besonderen Draht hast. Und mit deiner Freundin Claudia hast du eine starke Frau im Rücken.
Sie alle werden dir jetzt in dieser schweren Zeit ein grosser Rückhalt sein.
Und falls ich etwas für dich tun kann, weisst du ja, wo du mich findest. Du kennst ja das Motto von uns Berner Schwingern: «Zämä sind wir stark!»
Also: Werde schnell wieder gesund. Wir brauchen dich!
Dein Sempach Mätthu