Keiner sagt Adolf Ogi. Für die Menschen im Land ist Ogi der Dölf. Und keiner sagt Arnold Forrer. Für die Menschen im Land ist Forrer der Nöldi. Wenn ihn die Eltern früher mit Arnold angesprochen haben, da wusste er sofort: «Oh, oh. Jetzt wird’s ungemütlich.»
Ogi und Forrer, Parallelen gibt es viele. Die Volksnähe und die Hemdsärmligkeit, das joviale und offene Wesen, die Gabe, Dinge unverblümt anzusprechen. Auch eine gewisse Eitelkeit und eine gewisse Nähe zu den Medien ist beiden gemein. Damit schafft man sich in diesem Land nicht immer nur Freunde.
Das ist auch bei Nöldi Forrer so. Er, der hünenhafte Naturbursche aus dem Toggenburg, der sich 2001 nach einem gestellten Schlussgang gegen seinen langjährigen Weggefährten Jörg Abderhalden zum Schwingerkönig gekrönt hat, ist immer auch wieder angeeckt. Weil er vom damaligen OK-Vizepräsidenten des Brünig-Schwingfestes hart kritisiert wurde, hat er den Anlass eine gewisse Zeit boykottiert. «Lieber ein Alligator-Schwanz als ein Brünig-Kranz», hat er damals bei einem Fotoshooting gesagt. Und das Reptil am Hinterteil gepackt. Der Unmut in der Szene war hörbar.
Der Rekord für die Ewigkeit
Am Sonntag wird Nöldi Forrer am Fusse des Säntis verabschiedet. So, wie das stolze, imposante und unverrückbare Wahrzeichen der Ostschweiz allen Stürmen trotzt, hat auch Forrer alle Krisen und Tiefschläge gemeistert. Dass einer mit einem künstlichen Hüftgelenk und im Alter von 43 Jahren noch Kränze gewinnt, ist ein Husarenstück des Schweizer Sports. 151 Stück hat er gewonnen. Es ist ein Rekord für die Ewigkeit.
Jetzt ist Schluss. Da, wo er immer so gerne war und viele Sternstunden gefeiert hat. Die Schwägalp, das ist der Kraftort und das Lieblingsfest Forrers. Viermal hat er gewonnen. «Die Ambiance dieses Festes ist einfach sensationell. Wenn man da durchs Festzelt läuft und seinen Kranz abholt, ist das Gänsehaut pur», sagt er.
Früher ist er im Sommer jeweils mit seinem Töff über die Schwägalp gedonnert. Die Fahrt vom Toggenburg ins Appenzellerland ganz behutsam und spähend, ob irgendwo eine Geschwindigkeitskontrolle stattfindet. «Bei der Rückfahrt habe ich dann eine Spur mehr Gas gegeben.» Seit seine mittlerweile neunjährige Tochter Maila auf der Welt ist, lässt er das Motorrad stehen.
«Dankbar und stolz»
Forrer wird in aller Herrgottsfrühe mit Kollegen auf die Schwägalp fahren. Er wird sich ein tüchtiges Schwingerzmorge gönnen und das Fest geniessen. Beim Festakt soll er dann offiziell verabschiedet werden. Es wird für ihn ein emotionaler Moment sein, bei dem er auch die eine oder andere Träne unterdrücken muss. Bereits bei seinem Kranzgewinn beim Nordostschweizerischen Schwingfest vor wenigen Wochen gab es eine Standing Ovation, soviel Jubel wie bei Festsieger Sämi Giger. «Niemand kann nur Freunde und Anhänger haben. Aber ich spüre allgemein schon eine grosse Wertschätzung. Und dafür bin ich dankbar. Und auch ein wenig stolz.»
Wäre in seiner Karriere mehr drin gelegen, wenn er noch fokussierter gewesen wäre? So, wie beispielsweise sein Toggenburger Weggefährte Jörg Abderhalden? «Ich habe den Sport immer mit der nötigen Seriosität betrieben. Aber klar, ich bin ein Lebemensch. Es ist, wie es ist. Und es ist gut so.» Ein Zwicken im Knie beim freitäglichen Training hat ihn dazu bewogen, einen Schlussstrich zu ziehen. «Es ist ein Wink des Schicksals.»
Wird er Kampfrichter?
Folgt nun die Leere nach der Karriere? «Ich glaube nicht. Ich betreibe mit meinem Partner Franz Rüdisüli zwei Dorfchäsereien und wir haben noch gewisse Erweiterungspläne», sagt Forrer. Er hätte nun ja Zeit, Kampfrichter zu werden? Gerade er, der das Kampf- und Einteilungsgericht immer wieder kritisiert. Forrer schmunzelt bei dieser Vorstellung. «In der jetzigen Zeit kann man in dieser Funktion nur verlieren. Und trotzdem braucht es diese ehrenamtlichen Leute, das ist die Basis für unseren Sport. Aber für mich ist das im Moment kein Thema. Obwohl ich mir vorstellen kann, später im Schwingen wieder eine Funktion zu übernehmen.»
Ob am Jasstisch, bei der Arbeit in der Käserei, am Steuer seines Lastwagens oder in irgendeinem Festzelt dieses Landes: Arnold Forrer ist immer eine Bereicherung. Ständig erreichbar, immer gut gelaunt, sein Humor ist legendär. Und mit der Reife eines gut gelagerten Käses sagt der Käsermeister: «Obwohl ich nichts bereue, würde ich heute gewisse Dinge weniger hart umschreiben.»
Nöldi Forrer hinterlässt grosse Fussspuren. In jeder Beziehung.
Er hat Schuhnummer 52.