Königin Sonia Kälin zu Orliks Outing
«Die Schwing-Szene hat sich geöffnet, aber Kritik gibt es hintendurch»

Wird Curdin Orlik nach seinem Outing in der Schwing-Szene akzeptiert und angenommen? Die Schwingerinnen kämpfen seit Jahren um den Respekt der Bösen. Die vierfache Königin Sonia Kälin ist aber sicher, dass sich die Szene öffnet.
Publiziert: 08.03.2020 um 12:01 Uhr
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Aktualisiert: 08.03.2020 um 12:31 Uhr
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Als erster aktiver Schweizer Spitzensportler steht Curdin Orlik offen zu seiner Homosexualität.
Foto: Sven Thomann|Blicksport
Stefan Meier

Mit seinem Outing rüttelt Curdin Orlik die Schwing-Szene auf. Die Schwinger reagieren öffentlich durchs Band positiv. Wie gross die Akzeptanz auf dem Schwing-Platz dann sein wird, bleibt abzuwarten.

Ansatzweise erahnen können es die Schwingerinnen. Als Frauen kämpfen sie in diesem Sport seit Anfang an um Akzeptanz. Ein Kampf, der nicht abgeschlossen ist. Aber es bessert, glaubt Sonia Kälin.

Die vierfache Schwingerkönigin macht Mut, dass die Szene dazu bereit ist, Curdin Orlik zu akzeptieren.


Was denken Sie über das Outing von Curdin Orlik?

Ich finde es sehr stark von ihm und sehr mutig. Und es kommt auch unerwartet. Ich kenne ihn von verschiedenen Anlässen oder Fotoshootings und ich weiss deshalb, dass er von seiner Art her ein sehr feinfühliger und tiefgründiger Mensch ist. Ich finde es Wahnsinn, dass er sich so lange verstecken musste vor der Öffentlichkeit. Dass er jetzt den Schritt wagt, finde ich ganz stark, vor allem als Aktivschwinger. Ich wünsche ihm wirklich alles Gute.

Er ist der erste männliche Spitzensportler der sich outet. Als Schwinger bewegt er sich in einer oft sehr konservativen Szene.

Die Schwing-Szene ist sicher ein sehr spezielles Umfeld. Ich habe nun die Hoffnung, dass Curdin eine Vorbild-Funktion übernehmen kann und dass andere Homosexuelle nachziehen. Es muss doch einfach okay sein, homosexuell zu sein. Ganz egal in welchem Teil der Gesellschaft. Das ist einfach Teil des Individuums und gehört dazu. Wer Curdin als Mensch anschaut, der wird ihn nach wie vor gerne haben. Er ist, wie er ist, ein super Typ. Aber es wird sicher solche geben, die ihn auf die sexuelle Orientierung reduzieren und kritisch zu ihm sein.

Glauben Sie, dass er Probleme kriegen wird?

Es wird wohl kritische Stimmen geben. Von Leuten, die per se erst einmal verurteilen und nicht den Menschen in den Vordergrund stellen. Diese Saison könnte sehr herausfordernd werden für ihn. Einerseits sagt er ja selber, dass er jetzt frei sein kann. Andererseits wird es aber Gerede geben. Ich hoffe, er wird das gut annehmen und auch richtig einordnen können. Ich finde es wichtig, dass er egal ob bei Sieg oder Niederlage nicht als Schwuler abgestempelt wird. Sondern dass man ihn einfach als Curdin betrachtet, der Mensch soll im Vordergrund stehen.

Auch die Schwingerinnen kämpfen in der Schwing-Szene um Akzeptanz. Wie haben Sie das zu ihrer Aktivzeit erlebt?

An mir selber nur sehr wenig. Direkt ins Gesicht haben mir nur die wenigsten gesagt, dass sie es nicht gut finden, wenn Frauen schwingen. Aber man hört es hintendurch. «Die Weiber sollen gar nicht schwingen», hiess es dann jeweils, wohl auch immer mit einer Portion Eifersucht dabei. Direkt habe ich es aber fast nie gehört. Ich bin froh, dass ich von Anfang an dazu gestanden bin, dass ich diesen Sport einfach gerne betreibe. Und vielleicht wollte ich kritische Stimmen auch gar nicht hören.

Hat sich die Akzeptanz des Frauen-Schwingen mittlerweile verbessert?

Es ist sicher noch Potenzial da. Vollständig akzeptiert sind die Frauen nicht. Aber ich persönlich habe mich in der Szene immer akzeptiert gefühlt. Ich habe ja auch oft mit Männern trainiert und sie haben gesehen und honoriert, wie viel ich für den Schwingsport investiert habe.

Also hat die Szene bewiesen, dass sie sich öffnen kann?

Sie hat sich ganz sicher geöffnet. Ich durfte zum Beispiel am ESAF in Zug Muni-Patin sein, oder in Burgdorf war ich damals als Ehrengast eingeladen. Das ist eine grosse Wertschätzung. Es sind diese Zeichen, die zeigen, dass sich etwas ändert.

Wie sieht es eigentlich bei den Frauen aus? Gibt es offen homosexuelle Schwingerinnen?

Ich wüsste bis jetzt keine, die sich geoutet hat. Aber vielleicht weiss ich es auch einfach nicht. Ich kenne nicht alle Schwingklubs. Und ehrlich gesagt spielt es mir auch gar keine Rolle. Ich hätte auch gegen jede lesbische Schwingerin ganz normal schwingen können. Für mich geht es um den Sport.


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Nati-Spielerin Dickenmann ist stolz auf Orlik

Von Bettina Brülhart

Rekord-Nationalspielerin Lara Dickenmann hatte nicht im Sinn, sich zu outen. Doch im September 2018 gesteht sie ihre Liebe zu Frauen gegenüber «SRF». Als Dickenmann nun von Curdin Orliks Outing erfährt, ist sie positiv überrascht: «Schwingen ist ein sehr traditioneller Sport. Ich hätte nicht gedacht, dass der erste männliche Spitzensportler, der sich in der Schweiz outet, ein Schwinger ist – aber umso besser.»

Als Dickenmann sich damals outete, waren in ihrem Umfeld bereits alle eingeweiht. Trotzdem wird es für die Fussballerin sehr emotional. Sie fühlt sich ausgestellt. «Es war, als hätte ich mein innerstes offenbart.»

Bereut hat die Wolfsburg-Spielerin das Coming-Out aber nie. Im Gegenteil. Rückblickend war der Schritt an die Öffentlichkeit sehr wichtig für Dickenmann, um die Person zu werden, die sie sein möchte. Sie hätte damals nie damit gerechnet, welch persönliche Entwicklung damit einhergeht.

Die Rückmeldungen waren bei ihr meist positiv. Bleibt zu hoffen, dass dies auch bei Orlik so sein wird. «Curdin kann stolz auf sich sein. Mit seinem Outing hilft er vielen Menschen und trägt dazu bei, dass die Akzeptanz in der Gesellschaft wächst», sagt Dickenmann.

Sie hofft nun, dass andere Spitzensportler folgen. Vor allem, dass irgendwann ein Fussballer traut, sich zu outen. «Wenn sich auch ein Fussballer getraut, diesen Schritt zu wagen, dann ist das Thema Homosexualität enttabuisiert!»

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