Auf der Schlössliwiese im bernischen Frauenkappelen pfeift am Samstag ein bissiger Wind. Wer in weiser Voraussicht eine Wolldecke eingepackt hat, erntet neidvolle Blicke derer, die auf der Tribüne schlottern. Das wärmende Schwingerkafi ist heute der absolute Kassenschlager. Kein Stück von der Kälte beeindruckt zeigt sich Fabian Staudenmann. Der Mittelländer ist Mister Cool himself, wirkt ruhig, schwingt überlegt.
Der Guggisberger marschiert durch das Fest durch. Tritt er ins Sägemehl, ist das Spektakel nach wenigen Sekunden jeweils wieder vorbei. Sechs Gänge. Sechs Siege. Eindrückliche 59,75 Punkte. «Eigentlich ist das gar nicht meine Art», sagt der gelernte Automatiker nach dem Festsieg. «Normalerweise sind besonders die ersten Gänge jeweils ein bisschen ein Chnorz für mich.» An die auffällig kurzen Gänge könnte sich Staudenmann gewöhnen. Die Belastung auf den Körper ist kleiner, genauso das Risiko von Verletzungen. Besonders wenn sich das Wetter anfühlt, als stünde der Winter und nicht der Sommer vor der Tür. «Wir konnten uns zwar immer wieder gut in der Garderobe aufwärmen. Aber es war wirklich recht frisch auf dem Platz.»
König Stucki hat den richtigen Riecher
So effizient wie Staudenmann am Mittelländischen schwingt, imponiert sogar einem König. Christian Stucki (38) lässt sich das Spektakel in Frauenkappelen nicht entgehen und ist sich bereits vor dem Mittag ziemlich sicher, wie dieses Fest ausgehen wird. «Es ist beeindruckend, was Fäbu heute abliefert. Der ist so gut in Form, ich wüsste nicht, wer ihn stoppen will.» Zwickt es den abtretenden Schwingerkönig nicht, vor seinem Abschied am Seeländischen doch nochmals selbst mitzumischen? Doch. «Ab und zu reizt es mich schon, selbst anzupacken. Aber nach 30 Jahren habe ich genügend Schwingfeste gemacht. Das Leben besteht nicht nur aus Schwingen», sagt ein entspannt wirkender Stucki. Und Zuschauen sei ja auch ganz schön.
Der heikle Aeschbacher-Moment
Stichwort Zuschauer: Die könnten nach dem Heimsieg von Fabian Staudenmann nicht zufriedener sein. Eine Szene sorgt jedoch auch nach dem Schlussgang noch für Gesprächsstoff. Im dritten Gang legte der Kilchberg-Sieger von 2021 seinen Vereinskollegen Matthias Aeschbacher nach gerade mal sechs Sekunden auf den Rücken. Doch auf die Jubelschreie des Publikums folgte das grosse Stirnrunzeln. Lag Aeschbacher tatsächlich mit zwei Dritteln des Rückens im Sägemehl? Die Fernsehbilder lassen anderes vermuten.
Auf die strittige Szene angesprochen, nickt der Festsieger zustimmend. «Ich dachte mir schon im Sägemehl, dass es knapp gewesen sein könnte. Nach dem Gang habe ich mir die Fernsehbilder ein paar Mal angeschaut. Der Kampfrichter hätte wohl genauso gut anders entscheiden können.» Böse sei Aeschbacher deswegen sicher nicht. «Das Wettkampfglück war auf meiner Seite. Das nächste Mal ist es vielleicht genau andersrum.» Schwingt der Berner Dominator so weiter wie bisher, hat er Glück nicht mehr nötig.