Blick: Christian, ist Ihr Verhältnis zu Matthias Sempach aufgrund Ihres neuen Jobs bei SRF getrübt?
Christian Stucki: Nein, warum?
Bei den letzten eidgenössischen Anlässen hat Sempach für SRF gemeinsam mit Jörg Abderhalden das Geschehen analysiert. Doch beim diesjährigen Saisonhöhepunkt in Appenzell wird Sempach nicht im TV zu sehen sein, weil Sie seinen Job übernehmen.
Es war die Idee von SRF-Mann Dani Bolliger, dass Jörg Abderhalden diesen Eintagesanlass zusammen mit Stefan Hofmänner kommentiert und ich gemeinsam mit Fabienne Gyr nach den Gängen die Analysen mache. Aber ich glaube nicht, dass Mättu deshalb sauer ist, schliesslich wird es in Zukunft genügend Schwingfeste geben, bei denen er zum Einsatz kommen wird.
Wie sehen Ihre längerfristigen SRF-Pläne aus?
Es ist völlig offen, ob ich auch nach dem Jubiläumsschwinget weiterhin als TV-Experte arbeiten werde. Ich habe diese Rolle bis jetzt noch nie interpretiert, und deshalb wird man erst nach diesem Jubiläumsschwingen wissen, ob ich für diese Aufgabe überhaupt geeignet bin und ob es mir gefällt.
Was hat Ihnen an der ersten Kranzfest-Saison seit Ihrem Rücktritt im vergangenen Sommer besonders gut gefallen?
Die Berner haben in eindrücklicher Manier bewiesen, dass es auch ohne Stucki sehr gut läuft. Mich freut es ganz besonders, dass mit Matthieu Burger ein Seeländer am meisten Kränze gewonnen hat. Matthieu hat in dieser Saison zehn Kranzfeste bestritten, zehnmal hat er die «Haube» geholt. Das ist schon sehr beeindruckend.
Das Saison-Highlight in Appenzell ist für SRF eine grosse Kiste. Rund 30 Mitarbeitende stehen am Sonntag im Einsatz. Mit neun Kameras, darunter einer an Seilen frei hängenden über dem Stadion, wird das Jubiläumsfest live während rund neun Stunden inszeniert. Ab 7.20 Uhr ist der Event live auf SRF1 und den Internetplattformen zu sehen. Nach der Mittagspause gehts ab 13.10 Uhr weiter bis zum Schlussgang. Fabienne Gyr ist als Moderatorin vor Ort, sie wird von den Experten Jörg Abderhalden und Christian Stucki unterstützt. Abderhalden ist zudem während der Gänge an der Seite von Kommentator Stefan Hofmänner im Einsatz. (md)
Das Saison-Highlight in Appenzell ist für SRF eine grosse Kiste. Rund 30 Mitarbeitende stehen am Sonntag im Einsatz. Mit neun Kameras, darunter einer an Seilen frei hängenden über dem Stadion, wird das Jubiläumsfest live während rund neun Stunden inszeniert. Ab 7.20 Uhr ist der Event live auf SRF1 und den Internetplattformen zu sehen. Nach der Mittagspause gehts ab 13.10 Uhr weiter bis zum Schlussgang. Fabienne Gyr ist als Moderatorin vor Ort, sie wird von den Experten Jörg Abderhalden und Christian Stucki unterstützt. Abderhalden ist zudem während der Gänge an der Seite von Kommentator Stefan Hofmänner im Einsatz. (md)
Stimmt es, dass dieser Matthieu Burger Ihre Schwingschuhe geerbt hat?
Matthieu hat wie ich die Schuhnummer 51, und ich habe ihm tatsächlich das eine oder andere Paar geschenkt. So viel ich weiss, geht er im Training mit meinen Latschen zu Werke.
Was fehlt Burger noch, damit er den Schritt vom regelmässigen Kranzgewinner zum Serien-Kranzfestsieger machen kann?
Matthieu war bis vor Kurzem bekannt dafür, dass er oft zu ungestüm agiert hat. Deshalb hat er am Berner Kantonalen auch sehr schnell gegen Armon Orlik verloren. Aber dass er in der Zwischenzeit auch das Taktieren gelernt hat, hat er beim letzten Kranzfest auf der Schwägalp demonstriert, als er demselben Armon Orlik einen Gestellten abgerungen hat. In diesem Kampf war er zweimal sehr nahe am Sieg. Matthieu hat mich in diesem Zweikampf wirklich beeindruckt. Deshalb glaube ich, dass ihm der ganz grosse Wurf schon bald gelingen könnte.
Was hat Sie in dieser Saison geärgert?
Rein schwingerisch betrachtet, gibt es nicht viel zu bemängeln. Meines Erachtens hat sich auch die Fehlerquote bei den Entscheidungen der Kampfrichter deutlich verringert. Aber beim Bergklassiker am Schwarzsee war ich bezüglich der Notengebung erstaunt. Samuel Giger hat gegen Adrian Walther nach drei Minuten verloren, hat aber anstatt einer 8.50 die 8.75 erhalten. Werner Schlegel und Fabian Staudenmann haben sich auf demselben Platz ein sehr hochklassiges Duell geliefert, letztendlich haben sie für ihren Gestellten aber nicht die 9, sondern die 8.75 erhalten. Ich habe in der Mittagspause den entsprechenden Kampfrichter darauf angesprochen. Im Nachgang hat auch er eingesehen, dass Schlegel und Staudenmann bei diesem Anschwingen zu schlecht benotet wurden.
Es gibt immer wieder Spitzenschwinger, die sich nach ihrem Rücktritt als Kampfrichter zur Verfügung stellen. Das aktuellste Beispiel ist Bruno Gisler. Werden wir eines Tages auch Sie als «Schiri» im Einsatz sehen?
Ich bin in diesem Sommer bereits beim Seeländischen Jungschwingertag als Kampfrichter in den Ring gestiegen. Das hat mir durchaus Spass gemacht. Aber weil mein jüngster Sohn Elia nun selbst mit dem Schwingen angefangen hat, setze ich derzeit andere Prioritäten. Aber ich schliesse nicht aus, dass ich später öfter als Kampfrichter tätig sein werde.
Wie macht sich Ihr achtjähriger Jüngling Elia als Schwinger?
Er hat bislang drei Wettkämpfe bestritten und dabei einmal das «Zweigli» erschwungen. Elia macht seine Sache richtig gut, trotzdem bin ich total unentspannt, wenn er in den Ring steigt. Wenn ich ihm zuschaue, bin ich nervöser als in meiner Aktivzeit.
Befürchten Sie, dass der königliche Nachname Ihren Buben im Sägemehl zu stark belasten könnte?
Ich habe von meinen beiden Buben nie erwartet, dass sie schwingen. Ich habe Xavier und Elia immer gesagt: «Wenn ihr in den Schwingkeller wollt, unterstütze ich euch natürlich, wenn nicht, ist das für mich aber auch schwer in Ordnung.» Während Xavier leidenschaftlich gern Fussball spielt, zeigt Elia derzeit enorm viel Freude am Schwingen. Aber ich weiss von anderen Söhnen namhafter Schwingerväter, dass sie mit besonders grossen Erwartungshaltungen zurechtkommen mussten. Ich persönlich habe in sportlicher Hinsicht überhaupt keine Erwartungshaltungen an ihn. Aber es dürfte einige Aussenstehende geben, die von Elia etwas Besonderes erwarten, weil er der Bub eines Schwingerkönigs ist. Und vielleicht wird er in Zukunft auch von der Einteilung härter angepackt, nur weil er Stucki heisst. Bis jetzt war das aber noch nicht der Fall.
Zuletzt stand Sinisha Lüscher in der Kritik. Es hat damit angefangen, dass der 18-jährige Solothurner immer wieder zu spät zu den Kämpfen erschienen ist. Was würden Sie Sinisha sagen, wenn Sie sein technischer Leiter wären?
Ich würde ihm erst einmal ganz normal verklickern, dass er sich bessern muss. Und wenn das nichts bringen sollte, müsste ich mir den Jüngling dann halt ernsthaft zur Brust nehmen. Es hat immer Schwinger gegeben, die die Vorbereitungszeit mehr ausgereizt haben als andere. Ich kann mich an meinen langjährigen Seeländer-Kollegen Chrigel Dick erinnern, der manchmal bis zu viermal ausgerufen werden musste, ehe er auf dem Platz erschienen ist. Aber wenn das bei jedem Schwingfest in nahezu jedem Gang passiert, geht das natürlich nicht, weil es den Ablauf eines Wettkampfs zu stark verzögert.
Der ESV hat gegen Lüscher eine Verwarnung ausgesprochen, weil in seinem ersten Gang am norwestschweizerischen Teilverbandsfest das Logo des Herstellers auf seiner Hose zu sehen war. Im Wiederholungsfall droht ihm eine Sperre bei mehreren Wettkämpfen. Können Sie das nachvollziehen?
Fakt ist: Jeder Schwinger kennt das Werbereglement ganz genau, jeder weiss, dass im Sägemehlring weder auf den Socken noch an den Hosen oder am Hemd ein Ausrüster-Logo erkennbar sein darf. Ich finde es auch ganz wichtig, dass wir uns im Schwingsport diese Werbe-Freiheit während des Kampfs erhalten. Aber meines Erachtens ist es nicht so, dass der ESV bei diesbezüglichen Vergehen unverhältnismässige Strafen ausspricht. Vor dem Eidgenössischen 2019 in Zug wurde ganz klar gesagt, dass ein Schwinger vom Wettkampf ausgeschlossen werde, wenn im Zweikampf ein Ausrüster-Logo ersichtlich wird. Letztendlich war es so, dass Sven Schurtenberger weiterschwingen durfte, obwohl bei ihm die Sockenmarke ersichtlich war. Meines Wissens ist er mit einer Geldstrafe davongekommen. Und Sinisha Lüscher ist in diesem Fall mit einer Verwarnung davon gekommen. Ganz streng genommen hätte er sofort mit einer Sperre bestraft werden können.
Hitzig diskutiert wurde in diesem Sommer auch über das Berner Publikum. Joel Wicki war nach seinem Gastspiel im Berner Oberland sauer, weil er dort nach dem Gestellten gegen den Mittelschwinger Fabian Aebersold von den Berner Fans verhöhnt wurde. Der Thurgauer Domenic Schneider hat den Zuschauern am Emmentalischen aus demselben Grund den Scheibenwischer gezeigt. Sind die Berner wirklich besonders unfair?
Diese Behauptung kann ich nicht unterschreiben. Wenn ich mich in an die Zeiten zurückerinnere, in denen ich als Gast bei einem Wettkampf in der Innerschweiz angetreten bin, kann ich nicht wirklich einen Unterschied feststellen. Wenn mich der Nidwaldner Marcel Mathis trotz seiner körperlichen Unterlegenheit gestellt hat, haben die Innerschweizer Fans genauso überschwänglich reagiert wie die Berner, nachdem der schmächtige Fabian Aebersold den amtierenden König Wicki und den deutlich gewichtigeren Dodo Schneider in Schach halten konnte. Deshalb hat es auch bei mir diese Frustmomente gegeben, in denen ich am liebsten die Scheibenwischer-Geste an die johlende Menge gerichtet hätte. Ich habe es aber nie getan, weil es nüchtern betrachtet ganz normal ist, dass sich ein Grossteil des Publikums freut, wenn der Unterklassige dem Oberklassigen einen Haken stellen kann. Deshalb kann ich nicht nachvollziehen, wenn daraus nun ein Drama gemacht wird.
Viel Dramatik und Spannung dürfte am Sonntag das Kräftemessen in Appenzell beinhalten. Wie lautet Ihr Siegertipp beim Jubiläumsschwinget?
Ich kann mich beim besten Willen nicht auf einen Schwinger festlegen. Ich gehe davon aus, dass einer aus dem Sextett Samuel Giger, Fabian Staudemann, Adrian Walther, Werner Schlegel, Joel Wicki, und Armon Orlik triumphieren wird.
Obwohl seit Ihrem letzten Wettkampf am Seeländischen 14 Monate vergangen sind, wirken Sie extrem fit. Wie viel Zeit verbringen Sie in der Folterkammer?
Ich fahre nach wie vor einmal in der Woche nach Beromünster zu meinem langjährigen Erfolgschoach Tommy Herzog ins Training. Zu Hause absolviere ich zusammen mit meiner Frau das Online-Trainingsprogramm «Digital Burn-Express». Zudem habe ich wieder mit dem Hornussen angefangen.
Bei welchem Verein?
Bei Bern-Beundenfeld in der Nationalliga A. Ursprünglich wollte ich mit diesem Klub ausschliesslich ein paar Trainings absolvieren. Aber nachdem sich ein paar Spieler verletzt haben, habe ich mich zu einem Wettkampfeinsatz überreden lassen. Weil das ganz gut funktioniert hat, haben sie mich angefragt, ob ich im kommenden Sommer vermehrt einsatzbereit wäre. Ich kann mir vorstellen, dass ich in der kommenden Spielzeit vier bis fünf Spiele bestreiten werden. Aber ganz sicher nicht alle 14 Meisterschaftsspiele – denn so hätte ich ja mehr Stress als in meiner Aktivzeit als Schwinger.
Sie haben in diesem Sommer mit einer ESV-Delegation die Mongolei besucht. Dieses Land in Ostasien ist auch für seine aussergewöhnliche Kulinarik bekannt. Wie oft ist Ihnen auf dieser Reise der Appetit vergangen?
Im Gegensatz zu meinem ersten Mongolei-Aufenthalt 2017, wo ich für die SRF-Serie «Chrigel und Sepp» vor allem durch das Hinterland gereist bin, waren wir diesmal vor allem in der Hauptstadt Ulannbaatar stationiert, wo es viele sehr gute, internationale Restaurants gibt. Aber genau wie vor sieben Jahren wurde uns auch diesmal bei einem Empfang vergorene Stutenmilch serviert. Ich muss gestehen, dass das für meinen Gaumen schon sehr gewöhnungsbedürftig war. Aber als ich 2010 in Frankreich erstmals Austern probiert habe, hat es mich noch mehr durchgeschüttelt.