Es ist mit das biederste Teilnehmerfeld in der Geschichte vom Brünig-Schwinget. Titelverteidiger Pirmin Reichmuth hat sich bereits im April das Kreuzband gerissen. Der regierende Schwingerkönig Christian Stucki bleibt wegen Rückenproblemen zu Hause, der Erstgekrönte Joel Wiki laboriert immer noch an einer Ellenbogenverletzung. Und Remo Käser, der zuletzt am Südwestschweizerischen triumphiert, leidet seit ein paar Tagen unter Corona.
Und trotzdem kommt es beim Berg-Klassiker an der Bern-Obwaldner-Grenze erneut zu einem Schlussgang, der zumindest in menschlicher Hinsicht etwas ganz besonderes darstellt. Kilian Wenger gegen Ruedi Roschi (30).
Drei Jahre zusammen in einer WG
Der Schwingerkönig von 2010 und der Sohn von David Roschi, dem König von 1972, sind seit ihrer Kindheit befreundet. Sie gehören demselben Schwingklub an, als Zimmermänner haben die beiden Diemtigtaler in derselben Firma gearbeitet. Von 2010 bis 2013 wohnen «Kilä» und «Rüedu» in Thun sogar zusammen in einer WG.
Als Wenger 2015 kurzfristig seinen Führerschein abgeben muss, wird er regelmässig von Roschi chauffiert. Sportlich steht Ruedi (1 Kranzfestsieg, 42 Kränze), der mit der Schwester vom Schwyzer Top-Schwinger Christian Schuler liiert ist, seit jeher im Schatten vom elf Monate älteren Kilian (22 Kranzfestsiege, 91 Kränze).
«Hau mich bitte nicht im ersten Zug um!»
Doch auf dem Brünig entwickelt sich der oft zu brave Ruedi plötzlich richtig böse, bodigt den Aargauer Eidgenossen Andreas Döbeli und den Luzerner Abwehr-Künstler Werner Suppiger.
Trotzdem lässt Roschi das gewinnbringende Selbstvertrauen vor dem grössten Kampf seiner Karriere vermissen. Stattdessen fleht er Wenger vor dem Schlussgang an: «Hau mich bitte nicht gleich im ersten Zug um, Kilä».
Doch genau das tut der «Kilä» – nach vier Sekunden realisiert er mit einem «Churz» seinen zweiten Brünig-Sieg nach 2014. Roschi erweist sich als grosser Verlierer, indem er Wenger auf seiner Schulter hochleben lässt.
Fazit: Wenger zeigt auf dem Brünig eine gute Leistung, ohne einen Top-Mann zu besiegen. Reto Nötzli ist der einzige Eidgenosse, den er an diesem Tag aufs Kreuz legt.