Ruedi Hunspergers Leiden nimmt kein Ende. Vor 18 Jahren löst eine verunreinigte Spritze beim dreifachen Schwingerkönig (1966/69/74) eine Blutvergiftung aus, von der sich der Berner nie erholt hat.
Seit letzter Woche liegt Hunsperger wieder im Spital. Am Montag müssen die Ärzte entscheiden, ob eine weitere Operation nötig ist, um den bösen «Käfer» im Knie in Schach zu halten. Zudem macht Hunsperger auch Martin Grabs Dopingfall zu schaffen: «Das tut mir leid für Martin, er hat in der Vergangenheit Grossartiges fürs Schwingen geleistet.» Doch reinwaschen will der König aller Schwingerkönige Grab nicht.
«Ich bin zwar nach wie vor überzeugt, dass Grab in seinen Glanzzeiten sauber gekämpft hat. Aber dann hat er den passenden Zeitpunkt für den Rücktritt verpasst. Spätestens 2013 nach dem Eidgenössischen in Burgdorf war er im Sägemehl nur noch ein Schatten seiner selbst. Deshalb glaube ich, dass er zu unsauberen Mitteln gegriffen hat, um für ein schönes Ende seiner Karriere zu sorgen.»
Für Hunsperger ist Grab aber kein schwarzes Schaf in der immer als so rein gepriesenen Schwingerwelt: «Jeder von uns hat schon einmal einen groben Fehler gemacht. Ich selber habe zwar nie zu Dopingmitteln gegriffen, aber ich habe sonst genügend Dummheiten begangen. Deshalb würde ich nie mit dem Finger auf Martin Grab zeigen.»
Das tut auch Hunspergers Thronfolger Noldi Ehrensberger (64) nicht. Der Winterthurer, der 1977 in Basel nach einem Schlussgang-Triumph gegen den Rheintaler Peter Steiger gekrönt wurde, sagt zu SonntagsBlick: «Ich mag Martin und seine Frau Monika wahnsinnig gerne. Ich leide im Moment mit der Familie mit. Aber in einem Punkt gebe ich Hunsperger recht: Martin hat den passenden Zeitpunkt für den Rücktritt verpasst. Ob er sich deshalb aber zu etwas Verbotenem hat hinreissen lassen, kann ich nicht beurteilen. Ich halte es immer noch für denkbar, dass ihm dieses Dopingmittel irgendjemand untergejubelt hat.»
Unspunnen- und Kilchberg-Sieger Niklaus Gasser (57) hält Doping im Schwingsport durchaus für möglich. «Ich kann nicht beurteilen, unter welchen Umständen das verbotene Mittel in Grabs Körper gelangt ist. Doch der Schwingsport hat seinen Heiligenschein schon länger verloren. Zu meiner Zeit gab es zwar keine Dopingfälle. Aber vielleicht wäre bei uns schon früher gedopt worden, wäre das Interesse der Sponsoren und Medien derart gross gewesen wie heute.»
Der Berner weiss auch, dass es bei den Spitzenschwingern heute um viel Geld geht: «Deshalb kann ich mir sehr gut vorstellen, dass ein Schwinger wie ein Radprofi oder Leichtathlet vor einem wichtigen Wettkampf etwas Verbotenes tut. Darum soll ein gedopter Schwinger auch genau so bestraft werden wie ein gedopter Sprinter oder Tour-de-France-Sieger.»
Was sagt eigentlich Grabs letztes sportliches Opfer? Fünf Tage nach der für Grab verhängnisvollen Dopingkontrolle wurde der Obwaldner Stefan Ettlin im Schlussgang des Zuger Kantonalen nach sieben Sekunden von Grab im Sägemehl vergraben.
Der 21-Jährige leistet in diesem Sommer Zivildienst auf der Alp Langenmatt (Region Pilatus). Und obwohl er bei seiner ersten Kranzfest-Schlussgangteilnahme von einem nun nachweislich gedopten Gegner flachgelegt wurde, gibt der gelernte Landmaschinen-Mech Grab nun Rückendeckung: «Ich habe Märtel in der Garderobe und im Sägemehl als besonders fairen Sportsmann kennengelernt. Ich kann mir deshalb wirklich nicht vorstellen, dass dieser Mann wissentlich gedopt hat. Und es erfüllt mich nach wie vor mit sehr viel Stolz, dass ich gegen diesen grossartigen Schwinger einen Schlussgang bestreiten durfte.»
Es spricht für Ettlins Charakter, dass er sich öffentlich hinter sein Vorbild stellt. Aber vielleicht wird er sich im stillen Kämmerlein trotzdem ab und zu die Frage stellen, wie sein einziger Zweikampf mit Grab ausgegangen wäre, wenn sich in dessen Körper nicht die für einen Leistungssportler verbotene Substanz Tamoxifen ausgebreitet hätte.