Der statistisch stärkste Nordwestschweizer der Gegenwart ist auf einem Bauernhof in Untersiggental AG aufgewachsen. Seine Eltern und der ältere Bruder betreiben auf diesem Betrieb neben Milchwirtschaft auch eine Pferde-Pension. Christoph Bieris Verhältnis zu Pferden war in den letzten Jahren trotzdem eher distanziert.
Diese Tatsache ist auf eine unromantische Episode in seiner ersten Liebesgeschichte zurückzuführen. «Ich habe mein Schulschätzeli mit auf den Hof genommen und wollte mit ihr ausreiten. Dummerweise ist mein Pferd wegen einem auffällig orange gefärbten Traktor dermassen erschrocken, dass es mich höchst unsanft abgeworfen hat.» Nun steigt der sechsfache Sieger des Aargauer Kantonalen doch wieder in den Sattel und zwar im Oensinger Klus-Hof.
Hier residiert und trainiert der zweifache EM-Bronze-Gewinner Pius Schwizer mit einigen hochkarätigen Turnierpferden. Schwizer schickt den 22-fachen Kranzfestsieger in die Box von Calidus van het Asbornveld. «Dieser in Belgien geborene Wallach ist wie gemacht für dich. Calidus ist 14 Jahre alt, hat einen ruhigen Charakter und verzeiht Anfängerfehler. Willi Melligers Sohn Kay hat mit ihm schon einige Prüfungen gewonnen.» Und tatsächlich – auch der dreifache Eidgenosse sitzt beim Belgier fest im Sattel. Nach einem kurzen Einlaufen beginnt Bieri auf Schwizers Kommando mit dem Vollblüter zu traben.
Der 65 Kilo leichte Spitzenreiter ist vom Start des 115 Kilo schweren Giganten angetan: «Chrigu, du sitzt wirklich gut auf dem Pferd und reitest furchtlos drauflos. Jetzt kannst du es einmal mit Galoppieren versuchen. Du musst nur die Zügel ein bisschen lockerer halten, dann geht er schon.»
Christoph setzt den Befehl um und erschrickt dann ganz gewaltig! Er schreit: «Tami, das rüttelt ja brutal!» Bieri hat genug und steigt ab. «Beim Traben ist alles noch schön regelmässig abgelaufen. Doch beim Galopp hat Calidus extrem unregelmässige Bewegungen auf mich übertragen, ich habe mich phasenweise wie auf einer Achterbahn gefühlt. Und das mag ich ganz und gar nicht.»
Schwizer ist aber vom Potenzial des bösen Aargauers überzeugt: «Christoph hat Talent. Drei bis vier weitere Trainings mit mir würden für ihn reichen, um erstmals mit dem Pferd über ein Hindernis zu springen.» Doch weil sich Bieri in den letzten Monaten regelmässig wie ein altes Schlachtross gefühlt hat, will er derart tierische Sprünge erst nach seiner Schwinger-Karriere wagen.
Wegen einer Verengung des Spinalkanals im Rücken ist Bieri zuletzt dreimal aus den Kranzrängen gefallen. Nun hat er vor dem Eidgenössischen seinen letzten Joker gezogen: «Ich habe mir eine Spritze in den Rücken setzen lassen und fühle mich seitdem deutlich besser.» Wetten, dass Bieri nach der Rosskur wieder in die Kränze kommt?