Auf den ersten Blick mutet Roger Erb wie ein Schwinger aus dem Bilderbuch an. Der gelernte Landmaschinen-Mechaniker bewirtschaftet in Metzerlen, im Kanton Solothurn, mit seinem Vater einen fünfzig Hektaren grossen Landwirtschaftsbetrieb mit 50 Kühen, 450 Mastsauen und Kirschbäumen. Doch der erste Eindruck täuscht.
Der 1,92 Meter lange, 120 Kilo schwere Muskelmann ist in Wahrheit nicht in einem typischen Schwinger-Umfeld derart gross und stark geworden. «In meiner Familie hat vor mir niemand geschwungen. Und ich habe mich zuerst als Fussballer beim FC Röschenz versucht», erzählt Erb.
Mutter brachte ihn zum Schwingen
Auf dem Rasen ist er aber nie glücklich geworden. «Egal ob im Tor, als Verteidiger oder im Sturm – ich konnte auf keiner Position überzeugen. Sehr wahrscheinlich war ich für den Fussball schon damals zu schwer und zu schlaksig.»
Letztendlich war es die Mama, die das sportliche Leben von Roger Erb in die richtigen Bahnen lenkte. «Ich war zwölf Jahre alt, als meine Mutter zu mir sagte: 'Bub, geh doch einmal zu den Schwingern.' Nachdem ich kurz darauf im Fernsehen erstmals ein Schwingfest live gesehen habe, setzte ich den Vorschlag der Mutter in die Tat um und meldete mich beim Schwingklub in Oberwil.»
Der junge Solothurner schwang in Diensten der Baselländer bei Nachwuchs-Wettkämpfen ziemlich schnell obenaus. Mit 17 hat Roger am Nordwestschweizerischen seinen ersten Kranz gewonnen. Aber dann wurde er immer wieder von gröberen Verletzungen gestoppt.
Noch keinen eidgenössischen Kranz
Zuerst riss er sich ein Kreuzband. Danach folgte eine schwere Schulterverletzung sowie ein ausgerenkter Ellenbogen. Das sind die Hauptgründe, warum dieser talentierte Kämpfer bis jetzt erst einen Kranzfestsieg (Basellandschaftliches 2016) und noch keinen Eidgenössischen Kranz auf seinem Konto hat.
Doch seit ein paar Wochen präsentiert sich der Mann mit Schuhgrösse 47 in einer sehr starken Verfassung. Auf dem Weissenstein wurde er nach Siegen gegen die Eidgenossen Burkhalter, Notz und Hersche hinter Sämi Giger Zweiter. Sechs Tage später sicherte sich Erb mit einem Erfolg gegen den bösen Berner Thomas Sempach den Brünig-Kranz.
Es sind vor allem zwei Frauen, die den 26-Jährigen gestärkt haben. 2016 hat Roger seine Freundin Carolle geheiratet, die ihm im vergangenen Dezember eine Tochter Namens Lina geschenkt hat.
«Meine Frauen sind einfach wunderbar», schwärmt Erb. «Wir haben nur fünf Minuten vom elterlichen Hof entfernt ein Einfamilienhaus bezogen, hier fühle ich mich pudelwohl. Und wenn ich an einem Schwingfest nach einem harten Gang auf meinem Handy Fotos von meiner Tochter anschaue, gibt mir das enorm viel Kraft.»
Besonders viel Kraft wird Roger Erb am Sonntag am Nordwestschweizerischen in der Basler Sandgrube benötigen, wo er im Anschwingen auf den Südwestschweizer Gast Benjamin Gapany trifft. Gegen den Freiburger musste sich Erb im Juni am Schwarzsee mit einem Gestellten begnügen.