Eigentlich ist die Kugelstoss-Technik von Werner Günthör nichts für Matthias Glarner. Denn WM-Gold 1987 und Olympia-Bronze 1988 erkämpfte sich der 2-Meter-Mann mit der klassischen O’Brien-Technik. «Sorry Mätthel, ich bin jetzt ziemlich frech zu dir», sagt «Kugel-Werni» ohne Umschweife. «Aber mit 1,84 Metern bist du zu klein für die O’Brien-Technik, dazu braucht es viel längere Hebel.»
Mit der Drehstoss-Technik könnte Glarner fehlende Grösse mit sauberer Technik kompensieren. Doch diese lernt man nicht in einer Stunde, weshalb Günthör dem 13-fachen Kranzfestsieger die Basics der klassischen Technik beibringt.
Der als zu klein befundene Glarner ist der Aufgabe ziemlich schnell gewachsen. Im ersten Versuch stösst er die sieben Kilo schwere Kugel über elf Meter weit. Dafür erntet er anerkennende Worte vom Ex-Weltmeister: «Für den Anfang war das ganz anständig.»
Der grössere Bruder von FC-Thun-Verteidiger Stefan Glarner (28) bleibt aber selbstkritisch: «Ich muss viel mehr aus den Knien heraus stossen.» Gesagt, getan. Beim zweiten Versuch kratzt die Kugel die 13-Meter-Grenze.
Rücktritt vor 23 Jahren
Und Günthör? Bevor sich der 55-Jährige auf das Duell mit Glarner einlässt, betont er in aller Deutlichkeit, dass er seit dem Rücktritt vor 23 Jahren nie mehr ernsthaft die Kugel gestossen habe. «Zudem werde ich seit längerer Zeit von Rückenproblemen geplagt.»
Günthör kann sich dann doch zu einem Stoss aufraffen – die Kugel fliegt rund 14 Meter. Sein persönlicher Rekord liegt bei 22,75 m. Günthör will deshalb nicht allzu viele Worte über sein «Comeback» verlieren. Dafür packt er ein Kompliment für Glarner aus: «Matthias hat seine Sache gut gemacht. Er bringt fürs Kugelstossen wirklich Voraussetzungen mit, mit denen man etwas sehr Gutes machen könnte.»
Glarner, der nach einer Ausbildung als Polymechaniker an der Uni Bern Sportwissenschaft studiert hat, betrachtet seine Premiere auch nach Günthörs Loblied kritisch: «Ich habe die Technik vernachlässigt und zu sehr mit Kraft gestossen.»
Dafür ist er von seinem Formaufbau im Hinblick auf Estavayer überzeugt: «Wegen meinem harzigen Saisonstart bin ich überhaupt nicht nervös geworden. Meine Saisonvorbereitung war darauf ausgelegt, dass ich im Sommer die Top-Form erreiche. Deshalb habe ich vor allem das Schnellkraft-Training bewusst ein bisschen hinausgeschoben. Diese Strategie ist Mitte Juli in Unterbach erstmals voll aufgegangen.»
Glarner spricht das Berner Kantonale an, bei dem er mit Remo Käser, Florian Gnägi und Thomas Sempach drei ganz Böse aufs Kreuz legte. Wenn Glarner diese Form bis Estavayer konservieren kann, werden auch seine Gegner wie die Kugeln fliegen.