Vor neun Jahren taucht in einem Sägemehlring im Appenzellerland erstmals ein Jungschwinger auf, der mit seinem Namen viele einheimische Zungen ins Stolpern bringt – Naim Fejzaj, Sohn einer Kroatin und eines Kosovaren. Die ersten Reaktionen sind mit entsprechend viel Skepsis geschwängert. Der damals 12-jährige Naim hört von einigen besonders konservativen Festbesuchern die Frage: «Wa macht än Art de Jugo bim Schwingä?»
Fejzaj antwortet sportlich: «Ich habe bereits beim vierten Buebä-Schwinget die Qualifikation für den Schlussgang geschafft. Danach haben mich die Schwingerfreunde akzeptiert. Seitdem habe ich keine dummen Sprüche mehr gehört.»
Am vergangenen Wochenende stopft Fejzaj auch seinen härtesten Kritikern das Maul. Beim Ricken-Schwinget am Sonntag legt er Schwingerkönig Nöldi Forrer aufs Kreuz. Rund 20 Stunden zuvor vergräbt er auf dem Bachtel den neunfachen Kranzfestsieger Beat Clopath.
Naim, der seit dem sechsten Lebensjahr den Schweizer Pass besitzt, sammelt zuerst Erfahrungen im Judo und fällt als talentierter Handballer auf. Ein Kollege schleppt ihn in den Schwingkeller: «Viele Schwünge haben Gemeinsamkeiten mit Judo-Griffen. Aber im Judo wird auf einer Matte gekämpft. Das Sägemehl war für mich anfänglich genauso gewöhnungsbedürftig wie für meine Mutter, die meine Kleider waschen musste ...»
Dass Naim im Sägemehl hängen bleibt, ist vor allem auf das familiäre Ambiente im Schwingklub Wolfhalden zurückzuführen: «Speziell die Brüder Markus und Matthias Schläpfer haben mich von Anfang an wie einen Bruder behandelt. Zudem hat mir die mit viel Folklore geprägte Stimmung an den Schwingfesten von der ersten Sekunde an extrem gefallen.»
Die Brüder Schläpfer haben Naim später auch zu ihrem prominenten Onkel gebracht – zu Ernst Schläpfer, dem Schwingerkönig von 1980 und 1983. «Ich fahre regelmässig zu Ernst ins Training nach Schaffhausen, kann von ihm enorm profitieren. Er versucht, mir all das weiterzugeben, was ihn früher so stark gemacht hat.»
Apropos stark: Richtig stark beeindruckt ist unter anderem Nöldi Forrer von Fejzaj – und das nicht nur wegen den Qualitäten in Sägemehlring. Nöldi schwärmt: «Naim ist für mich ein Musterbeispiel für eine geglückte Integration. Er spricht ohne Slang und erscheint nach einem Wettkampf in der Appenzeller-Tracht zum Rangverlesen. Sein Verhalten ist in jeder Hinsicht vorbildlich.» Anders ausgedrückt: Der 182 cm grosse, 105 kg schwere Fejzaj ist der Xherdan Shaqiri in Zwilchhosen.
«Mit Shaqiri kann ich mich tatsächlich gut identifizieren», sagt Fejzaj. «Ich bin wie er glücklich und dankbar, dass ich in diesem wunderbaren Land aufwachsen durfte und finde die Schweizer Traditionen wunderbar. Und wie Shaqiri werde ich nie vergessen, wo meine Wurzeln sind. Die kosovarische und die kroatische Fahne werde ich für immer in meinem Herzen haben.»