Joel Wicki ist der phänomenalste Schwinger der letzten 40 Jahre! Warum? Obwohl der 1,83-Meter-Mann aus dem Kanton Luzern im Vergleich zu Christian Stucki (1,99 m), Pirmin Reichmuth (1,98 m) oder Samuel Giger (1,94 m) ein Bonsai ist, hat er vor zehn Monaten in Pratteln mit dem Schlussgang-Triumph über den 1,91 Meter langen Berner Matthias Aeschbacher den Schwinger-Thron erobert. Damit ist Wicki der kleinste König seit Ernst Schläpfer (1,82 m, ESAF-Sieger 1980/1983).
Phänomenal sind aber auch die Leistungen, welche der 26-Jährige neben dem Sägemehlring erbringt. Während andere Top-Schwinger ihr Arbeitspensum immer mehr reduzieren, ist der 60-fache Kranzgewinner vom Sörenberg ein richtiger Chrampfer.
«Er war körperlich in keiner guten Verfassung»
Neben dem Baggerunternehmen, welches er seit ein paar Jahren zusammen mit einem Kollegen führt, hat Joel in seinem Heimatort nun auch noch einen 54 Hektar grossen Landwirtschaftsbetrieb übernommen. Die Vorbereitung auf die laufende Saison wurde durch die Bauernschule beeinträchtigt, die der Überschwinger bis zu den Prüfungen im Mai besucht hat.
Trotzdem hat Wicki in diesem Kalenderjahr bei vier von fünf Kranzfest-Teilnahmen triumphiert. Einzig bei seinem Gastspiel am Oberaargauischen musste er sich dem Berner Giganten Fabian Staudenmann im Schlussgang geschlagen geben. «Am Oberaargauischen musste ich mit Joel ein paar ernste Worte wechseln, weil er dort körperlich in keiner guten Verfassung war», verrät Wickis Trainer Daniel Hüsler. «Joel hatte in den Wochen davor derart hart gearbeitet, dass er sein ideales Wettkampfgewicht verloren hat. Anstatt 110 hat er nur noch 104 Kilo auf die Waage gebracht. Seinen Schwüngen hat dadurch die Wucht gefehlt.»
Das Gewicht passt jetzt wieder
Mittlerweile ist der erste Innerschweizer Zwilchhosen-Monarch seit Harry Knüsel (62) aber fast wieder in seiner Top-Verfassung. Hüsler: «Nach dem Oberaargauischen wurde die Kalorienzufuhr stark erhöht, somit wiegt Joel aktuell 109 Kilogramm.»
Eine bange Frage stellen sich einige Wicki-Fans im Hinblick auf den Saisonhöhepunkt am Unspunnen (27. August) nach wie vor: Kommt aufgrund der vielen Tätigkeitsfelder die gewinnbringende Regeneration nicht zu kurz? Hüsler macht sich diesbezüglich keine Sorgen: «Würde diese Gefahr bestehen, hätte ich schon längstens interveniert. Klar, Joel arbeitet als Unternehmer hart. Wir schauen aber sehr genau darauf, dass die Erholung nicht zu kurz kommt. Zumal er bei seiner täglichen Arbeit auch regenerieren kann, weil sie im sehr viel Spass bereitet. Wenn er am Steuer seines Baggers sitzt oder sein Vieh auf dem Hof betreut, erhält er eine wohltuende Seelendusche.»
Wickis tierische Liebe
Dass der Böseste unter den Bösen ein besonders grosses Herz für Tiere hat, zeigt sich nicht zuletzt im Umgang mit seinem Hirtenhund namens Simba. Wicki kümmert sich rührend um die Entlebucher-Appenzeller Mischlingshündin. Im Frühling hat er ihr das Leben gerettet. «Ich habe Simba vom ehemaligen Hofbesitzer übernommen, der im letzten Sommer unerwartet verstorben ist. Sie ist mir schnell ans Herz gewachsen. Und als der Tierarzt bei ihr einen Tumor entdeckte, habe ich mich gegen das Einschläfern und für eine Operation entschieden.»
Von diesem Eingriff hat sich die königliche Hündin bestens erholt. Simba folgt ihrem Herrchen auf Schritt und Tritt. «Wenn ich ihr sage, dass wir zu den Kühen auf die Alp fahren, rennt sie blitzartig zum Auto und setzt sich auf den Beifahrersitz.»
Wickis Augen glänzen wie die eines kleinen Buben unter dem Weihnachtsbaum, wenn er vom Alltag auf dem Bauernhof erzählt. Er betont aber auch, dass die ländliche Idylle in den ersten Wochen nach seiner Krönung in Pratteln durch ein paar besonders «gwunderige» Menschen getrübt wurde. «Es kam vor, dass wildfremde Menschen im Stall oder vor der Haustür standen, um einen Einblick in mein Leben zu gewinnen. Das fand ich natürlich nicht so lustig.»
Auch deshalb ist Wicki froh, dass sich seine Simba so gut von der Tumor-Operation erholt hat. Schliesslich lässt sich manch ungebetener Gast von einem laut bellenden Hund abschrecken.