Erschütterndes Geständnis von Schwinger-König Ruedi Hunsperger
«Ich habe versucht, mich umzubringen»

Er war das Sinnbild des starken Mannes. Doch im Juni wusste Ruedi Hunsperger (71) keinen anderen Ausweg, als Suizid zu begehen. Heute freut sich der dreifache Schwingerkönig, dass es schiefging.
Publiziert: 29.07.2017 um 23:59 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 01:44 Uhr
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Ruedi Hunsperger schockiert mit seinem Geständnis.
Foto: THOMANN SVEN
Marcel W. Perren, Matthias Mast (Text) und Sven Thomann (Fotos)

Er galt als König der Könige, als heldenhafter Kämpfer, als Musterathlet der Eidgenossenschaft. Seine Kraft, seine Geschicklichkeit, seine Nervenstärke machten ihn unantastbar: Ruedi Hunsperger, dreifacher Schwingerkönig und fünffacher Brünig-Rekordsieger, war in den 60er und 70er Jahren das Sinnbild des starken Mannes.

Vor rund vier Wochen wusste der 71-Jährige aber in den Morgenstunden einfach nicht mehr weiter.

Zermürbt von hartnäckigen Infekten, geschwächt durch endlose Versuche, ihn vielleicht doch noch zu heilen, vollgepumpt mit starken Medikamenten lag er hilflos in seiner Wohnung in Zollikofen bei Bern.

Der Mann, der zu seinen besten Zeiten 125 Kilo auf die Waage brachte, hat in wenigen Wochen 20 Kilo abgenommen. Seine Gesichtszüge sind eingefallen, die Augen liegen tief in ihren Höhlen, das Thermometer zeigt 40 Grad.

«In diesem Zustand bin ich ja sowieso nur noch eine Belastung für meine Angehörigen. Und ins Spital will ich nicht schon wieder. Nein, jetzt ist Schluss – ich kann und mag nicht mehr!»

Bevor Hunsperger seine Selbstmordgedanken weiterspinnen kann, läuft vor seinem geistigen Auge noch einmal der Film seines Lebens ab. Er erinnert sich an die Geburt seiner beiden Kinder. Er erlebt noch einmal, wie er 1966 am Eidgenössischen in Frauenfeld als Rekrut den damals übermächtig anmutenden Karl Meli vom Thron gestossen hat. Und natürlich sieht er auch die schönen Bilder von seinen Krönungen anlässlich der Eidgenössischen 1969 und 1974.

Hunsperger blickt aber auch auf die Schattenseiten seines Daseins zurück: Die Scheidung von seiner Frau, den beruflichen Misserfolg als Betreiber einer Autogarage. Und den medizinischen Pfusch, mit dem sein Leiden vor 17 Jahren begonnen hat: «Ich hatte damals starke Rückenschmerzen und liess mir vom Arzt eine Injektion setzen. Dummerweise war die Spritze nicht steril. Die Folge war eine schwere Blutvergiftung.»

Die Ärzte rieten zur Not-Operation, Überlebenschance: 20 Prozent. Zwar hat sich Hunsperger, wie man in der Schwingersprache sagen würde, auf der Brücke zum Tod noch eimal ausgedreht – richtig auf die Beine gekommen aber ist er nie wieder. «Weil ich seit vielen Jahren so viele starke Medikamente zu mir nehmen musste, wurden bei mir jegliche Abwehrstoffe abgetötet.»

So führte dann vor ein paar Monaten eine vermeintlich harmlose Schürfung zum heftigen Infekt: «Nachdem ich irgendwo mein Bein angeschlagen hatte, trug ich einen ganz normalen ‹Blätz› davon. Es wäre mir nicht im Traum in den Sinn gekommen, deswegen den Arzt aufzusuchen. Doch weil die Stelle nach ein paar Tagen feuerrot war und das Bein immer stärker anschwoll, ging ich doch ins Spital.» Offenbar in letzter Minute: «Die Infektion war bereits so stark, dass die Ärzte über eine Amputation redeten.»

Dank sehr guter Durchblutung durfte er sein Bein zwar behalten. Bis Ende Juni aber musste Hunsperger, um die «Käfer» in seinem Bein auszurotten, sieben Operationen unter Vollnarkose durchstehen – ohne Erfolg.

Deshalb will sich der einstige Überschwinger an diesem Morgen vor vier Wochen selbst von all seinen Leiden erlösen: Er versucht, sich umzubringen. Und macht die Erfahrung, dass es über ihm offenbar eine sehr viel stärkere Macht gibt als seinen Willen.

Details möchte Hunsperger nicht ausbreiten, aber er gesteht: «Ich habe meinen eigenen Angriff auf wundersame Weise überlebt. Ich habe nie wirklich an einen Gott geglaubt. Aber jetzt weiss ich, dass eben doch jemand anderes bestimmt, wann unsere Uhr wirklich abläuft!»

Heute ist Hunsperger froh und dankbar, dass seine Lebensuhr weitertickt. In den letzten Wochen haben die Ärzte im Berner Inselspital seinen Infekt nämlich in den Griff bekommen.

Sogar mit seinen alten Kameraden kann sich «Rüedu» jetzt wieder treffen – in seiner direkt an der Aare gelegenen Stammbeiz im Schloss Reichenbach.

Zu seinen besten Freunden gehört seit Jahrzehnten der Mann, den er 1974 im Schlussgang beim Eidgenössischen in Schwyz platt gemacht hat – Fritz «Fridu» Uhlmann. «Mit dem habe ich schon zu Aktivzeiten oft die Ferien verbracht. Und irgendwann möchte ich mit ihm noch eine Tour de Suisse machen, indem wir gemeinsam alte Schwinger-Freunde wie Peter Steiger im Rheintal oder Ernest Schläfli im Welschland besuchen.»

An den Tod denkt Hunsperger kaum noch: «Es geht mir körperlich wieder deutlich besser und ich habe in den letzten Tagen wieder richtig Freude am Leben bekommen. Aber falls der Tag kommen sollte, an dem sich mein Zustand wieder dramatisch verschlechtert – ich habe kürzlich den Mitgliederbeitrag der Sterbehilfe-Organisation Exit bezahlt.»

Möge der ultimative Schlussgang für König Ruedi noch lange auf sich warten lassen!

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Dreimal Schwingerkönig: Rekord!
Ruedi Hunsperger war 1966 Rekrut, als er mit 20 in Frauenfeld seine erste Krone eroberte. Drei Jahre später doppelte er in Biel nach. Der dritte Streich folgte in Schwyz 1974: Den Schlussgang gegen Uhlmann gewann Hunsperger mit einem Lätz. 3 Kronen – nur Jörg Abderhalden schaffte das gleiche Kunststück.

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