Der für Schwingerverhältnisse schmächtige Elias Pirkheim (21) steht mit seinen 90 Kilogramm im zweiten Gang des Bergfestes auf dem Stoos dem Schwergewicht Sven Schurtenberger gegenüber. David gegen Goliath. Aber Pirkheim zermürbt den Luzerner Eidgenossen mit seiner Wendigkeit und Schnelligkeit und schafft am Ende die Sensation.
Es ist der entscheidende Sieg auf dem Weg zum Kranzgewinn und zum zweiten Sternchen hinter seinem Namen. Das bekommt, wer an einem Bergfest oder einem Teilverbandsfest den Kranz gewinnt. Hochkaräter wie Domenic Schneider, Roger Rychen oder Vorjahressieger Josias Wittwer treten die Heimreise vom Stoos ungeschmückt an.
Nach der Siegerehrung steht Pirkheim zwischen Matthias Aeschbacher und Curdin Orlik für ein Foto der drei Berner Kranzgewinner. Auch hier wirkt der 21-jährige Mann aus Habstetten BE wie ein Vertreter der Leichtgewichtskategorie.
Er hat die Schwing-Gene
Pirkheim, dessen österreichischer Grossvater einst nach dem Krieg in die Schweiz gekommen ist, ist ein weiteres frisches Gesicht im Reigen der ungezählten Berner Talente. Bei der Siegerehrung sind auch seine Familie und sein Götti, der aus Australien eingeflogen ist, mit dabei. Alle zusammen haben sie in Morschach am Fusse des Stoos eine Wohnung gemietet. Und am Sonntagabend dort auch den überraschenden Erfolg gefeiert.
Pirkheim hat österreichische Wurzeln, kommt aber dennoch aus einer Schwinger-Dynastie. Otto Salzmann, sein Grossvater mütterlicherseits, ist zweifacher Eidgenosse. Er ist sein grosses Vorbild. Genauso wie der legendäre Willy Graber, der technische Leiter des Schwingklubs Worblental. «Auch Willy hat aus seinen körperlichen Möglichkeiten das Optimum herausgeholt. Die Verteidigungskünste habe ich von ihm gelernt», sagt Pirkheim. Mit Adrian Walther hat er zudem einen Vereinskollegen, der bereits zu den besten Schwingern des Landes gehört.
So weit ist Pirkheim noch nicht. Aber das hat auch damit zu tun, dass es für ihn neben dem Schwingen noch vieles andere gibt. Er hat in Bern das Gymnasium besucht und war dort als Schwinger eher ein Exot. Eine akademische Karriere schliesst er nicht aus, aber im Moment zieht es ihn zurück aufs Land. Mittlerweile macht er auf einem Bauernhof in Ostermundigen die Lehre als Landwirt. Morgens um 5.45 Uhr gehts los, am Abend um 18.30 ist Feierabend.
Sommer auf der Alp
Der ruhige junge Mann aus dem Berner Mittelland ist keiner, der dem Schwingsport alles unterordnet. «Ich bin als Sportler ehrgeizig und fokussiert. Aber es gibt noch andere Dinge im Leben», sagt er. Als seine Gotte erkrankt, erfüllt er ihr den Wunsch, nochmals einen Sommer auf der Alp zu verbringen. Er kümmert sich um die Tiere und um die Gotte. Und im letzten Sommer reist er mitten in der Saison für zwei Monate nach Australien. Die Qualifikation für Pratteln war zu diesem Zeitpunkt noch ungewiss.
Pirkheim wohnt mit der Familie auf dem Hof seines Grossvaters. Dort gibt es 18 Pferde, es gibt Schafe, es gibt Hasen, Gänse und Hühner. Es ist so etwas wie ein Lebenshof, der selbsttragend sein soll, aber keinen Profit abwerfen muss. «Es ist unsere Oase für Tier und Mensch», nennt es Pirkheim. Und ergänzt: «Es muss nicht immer alles der Rendite untergeordnet sein.»
Reif und abgeklärt wirkt er, der neue Stern am Berner Schwinghimmel. Beim Berner Kantonalen steht er wieder im Einsatz, die Qualifikation für den Saisonhöhepunkt am Unspunnen-Schwinget ist ein wünschenswertes Ziel.
Klar ist: Sven Schurtenberger ist nicht das letzte Schwergewicht, dass sich an diesem wendigen und zähen Verteidigungskünstler die Zähne ausbeisst. Auch wenn Pirkheim sagt: «Mit Niederlagen lernt man umgehen. Das gehört dazu.»
Eine wohltuende Gelassenheit, die er wohl von zu Hause, aus der «Oase für Tier und Mensch» mitgenommen hat.