Ein ganz normaler Tag im Emmental. Simon, ein 15-jähriger Knabe, schwingt sich auf sein Töffli. Es ist jener verhängnisvolle Moment, in dem das Schicksal mit seiner ganzen Wucht zuschlägt. Ein Auto rammt den Bauern-Buben. Schädel-Hirn-Trauma. Wachkoma. Fünfmonatiger Kampf ums Leben.
Aber Simon ist stark. Er kämpft sich zurück ins Leben. Lernt wieder, zu sprechen und zu laufen. In der Kinderklinik in Affoltern am Albis. Mittlerweile kann er wenige Schritte gehen. Seit Februar verbringt der Bub die Wochenenden im heimatlichen Bauernhaus.
Und Simon, dieser tapfere Junge, hat einen Traum: «Einmal im Leben mit Schwingerkönig Kilian Wenger im Sägemehl stehen.» Bis zu seinem Unfall war Simon aktives Mitglied beim Schwingklub Sumiswald, sein kleiner Bruder Martin (13) schwingt immer noch. Um Simons grossen Wunsch zu erfüllen, wenden sich seine Eltern an die Stiftung Sternschnuppe (siehe Kasten). BLICK vermittelt.
Dienstagabend in Thun. Simon trifft mit seiner Familie in der Turnhalle Lachen ein. Der Vater schiebt ihn im Rollstuhl in den Keller des Schwingklubs. Simons Augen leuchten, als er Kilian Wenger (24) erblickt. Das Aufwärmtraining beginnt. Gleich 38 Schwinger, alle aus dem Berner Oberland, drängen sich ins Sägemehl. Es ist eng, die Luft stickig.
Dem Buben ists egal. «Aufstehen!», sagt Simon. Er hält es im Rollstuhl nicht mehr aus. Sein Vater hilft ihm aus dem Gefährt. Simon stützt sich an der Bande auf, schaut den Schwingern gebannt zu. «Glarner Matthias», flüstert Simon, kurze Zeit später entdeckt er Zenger Niklaus. Keine Frage, Simon kennt die Berner Sägemehl-Gladiatoren.
Dann ist es so weit. Nach dem Einlaufen zieht sich Wenger die Zwilchhosen an, läuft schnurstracks auf Simon zu. «Könnte es sein, dass ich ihm wehtue?», fragt Wenger unsicher. «Nein, nein, pack ihn nur», sagt Vater Samuel. Kurzerhand lupft der Schwingerkönig Simon aus dem Rollstuhl, trägt ihn ins Sägemehl. Die Zuschauer halten den Atem an. Wenger und Simon ziehen sich an den Zwilchhosen. Simon strahlt wie ein Maikäfer, und Mutter Käthy schiesst Bilder fürs Familienalbum.
Jetzt blüht Simon auf, gerät in Plauderlaune. «Ich habe früher auch geschwungen, aber immer verloren», erzählt er. Wenger schmunzelt und sagt: «So, lass uns zum Rollstuhl zurückgehen.» Simon verlässt das Sägemehl stehend.
Lucia Wohlgemuth von der Stiftung Kinderhilfe Sternschnuppe schwärmt: «Es ist unbezahlbar, was Kilian für das Kind getan hat.» Das Treffen mit Wenger – für Simon ist es wie Medizin.