Remo Käser steht 100 Meter über der Stadt Frankfurt auf dem Dach vom Leonardo Royal Hotel. Nach einem ersten Blick in die Tiefe stockt selbst dem sonst so coolen Berner der Atem: «Verdammt, von hier aus schaue ich dem Tod wahrhaftig ins Auge!» Tatsächlich glotzt man von hier oben direkt auf den Friedhof vom Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen.
«Die dritte Friedhof-Reihe ist für uns reserviert» scherzt eine Mitarbeiterin von Jochen Schweizer. Deutschlands berühmtester Stuntman bietet für Adrenalin-Junkies Spaziergänge in der Vertikalen an der Aussenfassade des Hotels an.
Käser denkt an sein Grosi
Käser, mit zwanzig Jahren die jüngste Unspunnen-Hoffnung der Berner, ist vor diesem höllisch himmlischen Abenteuer in Gedanken bei seiner Grossmutter: «Sie hat mich vor der Abfahrt nach Frankfurt bekniet, dass ich auf diese Aktion verzichte. Und meine Grossmutter bedeutet mir viel, schliesslich schneidet sie mir immer ganz schön die Haare. In diesem Fall muss ich ihren Wunsch aber ignorieren...»
Der zweifache Kranzfestsieger ist wild entschlossen. Remo zieht ein «Gestältli» an und wird mit einem Seil gesichert. Er kippt in «Spyderman-Manier» nach vorne, sieht unten auf der Strasse Menschen so gross wie Stecknadelköpfe.
Das Adrenalin schiesst durch seinen Körper, das Herz beginnt zu rasen. Dann geht es Schritt für Schritt nach unten. Diese Aktion steht sinnbildlich für Käsers sportliche Entwicklung. Im letzten Sommer avancierte er mit glanzvollen Triumpfen am Emmentalischen und am Mittelländischen, sowie dem dritten Schlussrang am Eidgenössischen zum grossen Aufsteiger.
Aber in dieser Saison zeigte die Formkurve von Schwingerkönig Adi vermehrt nach unten. Käser hat bis im Juli unter einer im Mai erlittenen Ellenbogenverletzung und unter einem lädierten Fuss gelitten. Resultat: Remo hat heuer mit Thomas Sempach erst ein Eidgenosse aufs Kreuz gelegt. Und seit er Ende Juli auf dem Brünig im Anschwingen gegen den Zuger Marcel Bieri getaucht ist, hat Käser Junior kein Wettkampf mehr bestritten.
Gesundheitlich gehts aufwärts
Dafür hat Käser in der Zwischenzeit sein Ziel in Frankfurt erreicht – nach rund zwei Minuten Fassadenlauf hat er wieder festen Boden unter seinen Füssen. Remo frohlockt: «Das war eine richtig geile Grenzerfahrung, ich würde es sofort wieder tun!»
Doch nun plant er erst einmal den sportlichen Höhenflug am Unspunnen: «Es geht mir Körperlich deutlich besser als im Juli, ich konnte letzte Woche mit Matthias Sempach in einem Camp an der Lenk sehr gut trainieren. Ich kann es förmlich riechen, dass ich in Interlaken eine starke Leistung zeigen werde.»
Ein wirklich steiler Typ, dieser Remo Käser.