Foto: Benjamin Soland

Antidoping-Schweiz-Direktor Ernst König
«Ich habe den Fall Grab unterschätzt»

Antidoping-Chef Ernst König über den Fall Grab, den ständigen Geld-Mangel der Doping-Jäger, saubere Tour-de-France-Sieger und seine Marathon-Karriere.
Publiziert: 19.11.2018 um 10:39 Uhr
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Seit März 2018 ist Ernst König als Direktor von Antidoping Schweiz im Amt.
Foto: Benjamin Soland
Emanuel Gisi

BLICK: Ernst König, Sie gelten als passionierter Marathonläufer. Wie läufts beim Laufen?
Ernst König: Ich habe ein paar Marathons bestritten, das stimmt. Aber seit ich bei Antidoping Schweiz angefangen habe, ist keiner dazugekommen. Die Achillessehne! Das soll keine Ausrede sein, aber die macht ein bisschen Probleme. Und mit dem neuen Job und der Familie, wir haben einen kleinen Sohn, bleibt im Moment wenig Zeit.

Ernst König, der Marathonläufer, ist also Geschichte?
Ich hoffe nicht. Rennen ist für mich eine faszinierende Disziplin und ein sehr guter Ausgleich, wenn ich angespannt bin. Aber ich kann momentan leider keine grosse Taten verkünden (lacht). Immerhin komme ich mit dem Velo zur Arbeit, das sind auch 20 Minuten Weg.

Als Läufer wissen Sie ja, wie es ist, wenn man am Ende seiner Kräfte ist. Verstehen Sie die Versuchung, mit unlauteren Mitteln nachzuhelfen?
Betrügen? Das wäre mir nie in den Sinn gekommen. Darum geht es doch beim Sport nicht. Das war für mich auch nicht der Sinn der Übung. Man ist zwar schneller, aber leiden tut man ja trotzdem. Die Wand, welche Langstreckenläufer kennen, die kommt bei allen, bei Profis wie Amateuren. Ich war nie versucht, unlautere Mittel zu nutzen. Keine Chance!

Auf welches legale Dopingmittel würden Sie nicht verzichten wollen?
Das Beste für mich war im Sport immer die klassische Banane. Da war ich abergläubisch. Ohne eine Banane ging ich nicht an ein Rennen.

Als Direktor von Antidoping Schweiz jagen Sie nun Athleten, die es nicht bei der Banane belassen. Hat sich Ihr Blick auf den Sport in den letzten Monaten verändert?
Darüber habe ich mit meiner Frau schon oft diskutiert. Ich bin sicher auf das Thema viel stärker sensiblisiert. Aber ich kann Sport als solches immer noch geniessen. Bei einem Hockeymatch oder einem Leichtathletik-Event kann ich mich immer noch an den Leistungen freuen. Ich merke, dass bei manchen Akteuren der Antidoping-Gemeinschaft eine gewisse Skepsis gegenüber manchen Leistungen vorhanden ist. Bei mir ist das noch nicht so.

Sie sagen «noch nicht». Ihr Vorgänger Matthias Kamber klang am Ende desillusioniert. Was hat er Ihnen gesagt, wie lange dauert es, bis auch Sie die rosarote Brille ablegen?
(lacht) Es ist sicher so: Je mehr man ins Thema reinkommt, desto mehr weiss man. Vielleicht ändert sich das irgendwann. Aber bisher definitiv nicht.

Wenn also eine Daniela Ryf auf Hawaii ihre eigene Ironman-Bestzeit pulverisiert, schrillen bei Ihnen nicht die Alarmglocken?
Es ist doch schade, wenn jemand eine Spitzenleistung bringt und damit unter Generalverdacht gerät. Unsere Aufgabe ist es, alles dafür zu tun, dass die Schweizer Zuschauer das Vertrauen haben dürfen, saubere Leistungen zu sehen. Und das dürfen sie. Eine starke Leistung ist noch kein Anlass für uns, aktiv zu werden. Dass Antidoping Schweiz in den letzten Jahrzehnten gute Arbeit gemacht hat, zeigt sich zum Beispiel daran, dass es international lange keinen grossen Dopingfall gab, in den ein Schweizer Athlet verwickelt war.

Einen dicken Fisch haben Sie aber schon gefangen. Schwinger Martin Grab blieb im Frühling in einer Dopingkontrolle hängen. BLICK machte den positiven Test im Sommer publik. Wie haben Sie den ersten grossen Fall Ihrer Amtszeit erlebt?
Das waren für uns sehr intensive Wochen. Ich gebe zu: Ich habe den Fall Grab zu Beginn unterschätzt. Ich hätte nicht gedacht, dass es ein derart grosses Echo in der Presse geben würde. In Ihrer Zeitung war das ja praktisch eine Woche lang Frontpage-News. Im Nachhinein ist es logisch: Grab war ein populärer Schwinger, Schwingen ist eine populäre Sportart. Das trägt dazu bei. Ich glaube aber auch, dass das Thema Doping in der Öffentlichkeit einen grösseren Stellenwert hat als in der Vergangenheit.

Schwinger Martin Grab blieb im Frühling in einer Dopingkontrolle hängen.
Foto: KEY

Was lernen Sie aus dem Fall Grab?
Wir waren unvorbereitet, wussten nicht, dass der Fall zu diesem Zeitpunkt öffentlich wird. Es gibt jetzt ein verfeinertes Krisenkommunikations-Konzept. Ich persönlich bin jetzt auch viel wacher, was solche Themen angeht. Falls sich wieder einmal so etwas anbahnen sollte, sind wir jetzt besser gerüstet.

Bahnt sich denn gerade etwas an?
Nein, das habe ich nicht gesagt.

In der Schwinger-Szene können viele nicht glauben, dass Grab gedopt haben soll. Schuldige werden gesucht. Wurden Sie damit auch konfrontiert?
Von den Athleten jedenfalls nicht. Bei den Athleten gibt es generell eine hohe Hemmschwelle, um mit uns in Kontakt zu treten. Die sind ja froh, wenn sie mit uns nichts zu tun haben. Dann ist alles in Ordnung. Aber wenn es etwas Gutes gibt, dann hoffentlich, dass es in der Szene eine neue Sensibilität für das Thema Doping gibt.

Antidoping Schweiz kämpft seit Jahren um Geld. Wie wichtig sind grosse Fälle wie derjenige von Grab für Ihre Argumentation?
Am Schluss gehört es einfach dazu, dass wir manchmal jemanden erwischen. Wie wichtig es ist? Ich glaube nicht, dass wir grosse Fälle brauchen, um unsere Existenz zu rechtfertigen. Das wäre völlig falsch. Aber es ruft sicher in Erinnerung, dass es uns braucht.

Wie sieht es denn aus? Bekommen Sie bald ein höheres Budget?
Wir haben mit dem Bundesamt für Sport und Swiss Olympic einen Prozess gestartet, wo wir eine Auslegeordnung über alle Aktivitäten machen, um mögliche Synergien zu identifizieren. In dieser ersten Phase reden wir bewusst nicht über die Kosten, denn zuerst müssen wir definieren, was genau wir tun wollen, erst danach können wir über Geld sprechen.

Über Ernst König

Ernst König (40) wuchs auf einem Bauernhof in Oberlindach BE auf, machte eine Landwirtschaftslehre, studierte und arbeitete später in der Agrarwirtschaft. 2012 schloss König 
in Schottland ein Management-Studium ab. Dort arbeitete er bis vor kurzem im Bankenwesen, 
ehe er im Frühling den Posten des Direktors von Antidoping Schweiz übernahm.

Ernst König (40) wuchs auf einem Bauernhof in Oberlindach BE auf, machte eine Landwirtschaftslehre, studierte und arbeitete später in der Agrarwirtschaft. 2012 schloss König 
in Schottland ein Management-Studium ab. Dort arbeitete er bis vor kurzem im Bankenwesen, 
ehe er im Frühling den Posten des Direktors von Antidoping Schweiz übernahm.

In der laufenden Saison hat Antidoping Schweiz vom Leichtathletikverband 20'000 Franken für zusätzliche Tests seiner Athleten bekommen. Einverstanden, dass solche Tests nicht unabhängig sein können?
Ich bin insofern einverstanden, dass es nicht ideal ist. Das ist nicht die Lösung, die wir wollen. Aber so wie der Vertrag mit dem Leichtathletikverband ausgestaltet ist, ist dieser kein Problem. Da ging es einfach darum, die Anzahl getesteter Personen zu vergrössern, die Tests auf den Nachwuchsbereich auszuweiten.

Wird es diese Zusammenarbeit weiter geben?
Der Vertrag war auf dieses Jahr beschränkt. Es ist noch offen, ob er verlängert wird.

Aber das ist für Sie eine Option?
Grundsätzlich ist es eine Variante. Auch wenn wir wie gesagt nicht der Meinung sind, dass dies die Ideallösung ist.

Würden Sie mit anderen Verbänden ähnliche Verträge abschliessen, wenn diese auf Sie zukämen?
Die Antwort ist die: Wenn wir eine andere Lösung finden, dann wählen wir sicher die. Wir wollen so unabhängig wie möglich sein. Aber der Umgang mit solchen Bedürfnissen einzelner Verbände ist ebenfalls Bestandteil der Gespräche mit Swiss Olympic und dem Bundesamt für Sport.

Wie gross ist der Rückstand der Doping-Jäger auf die Betrüger im Moment?
Das kann ich Ihnen nicht seriös sagen. Aber es liegt in der Natur der Sache, dass wir immer Aufhol-Potential haben.

Wo sehen Sie denn derzeit das grösste Potential?
Bei den Ermittlungen. Da geht es eigentlich um Detektivarbeit, bei der wir auch auf die Hilfe der Behörden angewiesen sind. Wir sind dabei, die Staatsanwaltschaften in den Kantonen darauf zu sensibilisieren.

Was bedeutet das konkret?
Es kommt regelmässig vor, dass bei Drogenrazzien auch Dopingmittel gefunden werden. In einem solchen Fall ist es entscheidend, dass wir darüber informiert werden, damit wir aktiv werden können und der Doping-Fund nicht einfach im Drogen-Prozess untergeht. Ich verstehe, dass die polizeilichen Ermittler da andere Prioritäten setzen, aber für uns ist das von immenser Bedeutung.

Wie gehen Sie in einem solchen Fall vor?
Wir untersuchen, ob es eine Verbindung in den Sport gibt. Sei es, dass ein Athlet selber auf der Kundenliste auftaucht oder ein Betreuer oder sonst jemand, der einen Bezug zu einem Sportler hat. Dann können wir da genauer hinschauen.

Nicht immer ist der Besitz von Dopingmitteln strafbar. Es kann zum Beispiel auch Eigengebrauch geltend gemacht werden. Wenn ein Athlet mit jemandem zusammenarbeitet, der dies tut – nehmen Sie diesen dann genauer unter die Lupe?
Es ist sehr gut möglich, dass wir da dann gezieltere Tests vornehmen. Genau so können wir die Chancen erhöhen, dass wir einen Doper erwischen.

Ihr Vorgänger Matthias Kamber hat einmal gesagt, es sei unmöglich, sauber die Tour de France zu gewinnen. Sehen Sie das auch so?
Unser Ziel ist es, dass alle gleichlange Spiesse haben. In der Vergangenheit war das definitiv nicht der Fall. Aber dafür stehe ich am Morgen auf, damit das der Fall ist, damit einer sauber die Tour de France gewinnen kann. Ob wir jetzt schon so weit sind… da müssen wir wahrscheinlich ein paar Jahre warten, bis wir das wissen. Aber das muss möglich sein. Sonst hat unsere Arbeit keinen Sinn.

Der Fall Grab

Im Sommer machte BLICK publik: Der eidgenössische Kranzschwinger Martin Grab (Bild), seines Zeichens Unspunnen-Sieger 2006, tappte im Frühling 2018 in die Dopingfalle. Beim Schwyzer wurde die verbotene Substanz Tamoxifen festgestellt. Auch die B-Probe war positiv, auch wenn Grab weiterhin beteuert, sich nicht erklären zu können, wie die Substanz in seinen Körper gelangt war. Nur etwas fehlt noch: das endgültige Urteil der Disziplinarkommission von Swiss Olympic. Spricht diese die zu erwartende Sperre aus, dürfte der mittlerweile zurückgetretene Grab nicht nur als Schwinger in Zukunft im Sägemehl nicht mehr zugelassen sein, sondern auch als Trainer und Funktionär gesperrt werden.

Im Sommer machte BLICK publik: Der eidgenössische Kranzschwinger Martin Grab (Bild), seines Zeichens Unspunnen-Sieger 2006, tappte im Frühling 2018 in die Dopingfalle. Beim Schwyzer wurde die verbotene Substanz Tamoxifen festgestellt. Auch die B-Probe war positiv, auch wenn Grab weiterhin beteuert, sich nicht erklären zu können, wie die Substanz in seinen Körper gelangt war. Nur etwas fehlt noch: das endgültige Urteil der Disziplinarkommission von Swiss Olympic. Spricht diese die zu erwartende Sperre aus, dürfte der mittlerweile zurückgetretene Grab nicht nur als Schwinger in Zukunft im Sägemehl nicht mehr zugelassen sein, sondern auch als Trainer und Funktionär gesperrt werden.

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