Am Schwägalp Schwinget
Nöldi jagt heute Kranzrekord

Nöldi Forrer kann heute Hanspeter Pellets Rekord von 136 Kränzen egalisieren. King Nöldi wäre nie so weit gekommen, wenn er vor 19 Jahren nicht Roman Eisenhut gebodigt hätte.
Publiziert: 16.08.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 20:22 Uhr
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Wiedersehen nach 19 Jahren: Forrer (l.) und Eisenhut treffen sich in Schwanden.
Foto: Valeriano Di Domenico
Von Marcel W. Perren (Text) und Valeriano Di Domenico (Fotos)

Dieses Wiedersehen vor dem heutigen Saisonhöhepunkt auf der Schwägalp macht wirklich Freude. Als Roman Eisenhut (43) in Schwanden GL auf der Wiese neben dem Fussballplatz ­erscheint, reagiert Nöldi Forrer fast wie beim Anblick einer ­schönen Frau. Der Toggenburger begrüsst den Herisauer mit seinem breitesten Lachen: «Roman, wenn das Duell mit dir hier an dieser Stelle anders verlaufen wäre, ­hätte ich die Krone des Schwingerkönigs nie erobert!»

Dabei hat Nöldi am 7. Juli 1996 vor dem sechsten Gang am Nordostschweizerischen Schwingfest im Glarnerland heftig geflucht, als der Speaker die Namen Forrer und Eisenhut in einem Atemzug ­genannt hat. Aber der Reihe nach.

In der Vorbereitung auf die Saison 1996 bringt der 17-jährige Nöldi bei einer Körperlänge von 187 cm lediglich 93 Kilo auf die Waage. Die ersten Jahre nach dem Übertritt von den Jungschwingern ins Reich der grossen Bösen fielen entsprechend dünn aus.

Während sein ein Jahr jüngerer Klub-Kollege Jörg Abderhalden schon ein paar richtige Kaliber im Sägemehl vergraben hat, steht ­Forrer zu diesem Zeitpunkt noch ohne Kranz da. Der ehrgeizige ­Käser-Stift setzt sich deshalb ein ­Ultimatum: «Einer meiner besten Kollegen war damals Stefan Schönenberger, der wie ich nach Erfolgen als Bubenschwinger dem ersten Eichenlaub hinterherjagte. Im ­Frühling 96 haben wir uns deshalb darauf geeinigt, dass wir zurücktreten, falls wir eine weitere Saison ohne Kranz bleiben.»

Vor dem Kräftemessen in Schwanden ist der Rücktritt von Forrer und Schönenberger fast schon besiegelt. Beide haben in den ersten Kranzfesten der Saison nicht reüssiert, nun müssen sie ausgerechnet beim hochkarätig ­besetzten Teilverbands-Fest ihre ­allerletzte Chance nutzen.

Schönenberger bleibt auch beim letzten Kranzfest des Jahres ohne Eichenlaub. Wie angekündigt, hängt er die Zwilchhosen an den Nagel! Forrer wird an ­diesem Tag von der Einteilung hart angepackt. Er muss sich fast nur gegen etablierte Kranzschwinger bewähren. Forrer schlägt sich zwar tapfer, aber nach der Niederlage gegen den fünffachen Nordwestschweizer Eidgenossen Matthäus Huber steht fest, dass sein Haupt nur dann mit dem Kranz geschmückt wird, wenn er den sechsten Gang gewinnt.

«Deshalb ist mir ein lautes ‹Tami Siech› rausgerutscht, als ich gehört habe, dass mir die Herren in der Einteilung zum Dessert mit ­Roman Eisenhut einen weiteren zähen Kranzschwinger servieren.»

Eisenhut hat bis zu diesem Gang genau drei Kantonal-Kränze auf dem Konto. Nun will er sich gegen den Nichtkranzer Nöldi Forrer ­seinen ersten Teilverbands-Kranz sichern.

Vor diesem Duell wird Roman Eisenhut vom jüngeren Bruder Bruno gecoacht. Roman: «Bruno hat wie Nöldi Jahrgang 1978. Die beiden haben als Bubenschwinger mehrmals zusammengegriffen. Deshalb hat mich Bruno vor ­Nöldis grosser Stärke, dem Gammen, gewarnt.» Nöldi schmunzelt und sagt: «Ich habe damals gar keinen anderen Schwung als den Gammen beherrscht ...»

Obwohl es von diesem richtungsweisenden Kampf keine Archivbilder gibt, kann sich Eisenhut bei seiner Rückkehr an den «Tatort» ziemlich genau an den Ablauf erinnern: «Ich habe mich am Anfang beim Greifen mit Nöldi sehr wohl gefühlt und war ­sicher, dass ich ihn mit einem Kurz besiegen kann. Doch nach knapp ­einer Minute musste ich feststellen: Ich kann mich nicht mehr bewegen – ich bin in Nöldis Gammen eingeklemmt und es gibt kein Entrinnen mehr!»

Forrer erzählt mit glänzenden Augen das Ende der Geschichte: «Das war einer der überschwänglichsten Momente meines Lebens. Ich habe meine Karriere im letzten Moment gerettet. Nachdem man mir den lang ersehnten Kranz ­aufgesetzt hatte, ging ich zum zweifachen Schwingerkönig Ernst Schläpfer. Er hat mich vor meinem sechsten Gang zusammengestaucht, weil ich seiner Meinung nach bei einem gestellten Gang zu passiv gekämpft habe. Ich sagte: ‹Ernst, schau dir meinen Kranz an. So schlecht, wie du immer behauptest, bin ich wohl doch nicht!›»

Und Eisenhut? Er hat den NOS-Kranz ein Jahr später erobert. 2000, zwölf Monate bevor Nöldi in Nyon Schwingerkönig wurde, beendete er seine sportliche Laufbahn. Der gelernte Zimmermann stellt sich heute gelegentlich als Kampfrichter zur Verfügung. In dieser Saison hat er am St. Galler- und am Appenzeller-Kantonalen auch Kämpfe von Nöldi gerichtet und ihm in dieser Funktion Glück gebracht: Forrer hat alle Gänge auf dem Platz von Schiri Eisenhut gewonnen. Auch deshalb schenkt Nöldi seinem Kumpel vor der Rückreise aus dem Glarner- ins Appenzellerland einen Königskäse aus der eigenen Produktion.

Ob auch Forrer heute reich beschenkt wird, ist fraglich. Wegen einer Adduktorenverletzung ist er nicht im Vollbesitz seiner Kräfte. Zudem bekommt er es im 1. Gang gleich mit einem dicken Kaliber zu tun: mit Chrigel Stucki!

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