Der Genussmensch
Die Lebensgewohnheiten des jungen Christian Stucki hatten nicht viel mit denen eines seriösen Leistungssportlers zu tun. Als er 2004 mit 19 Lenzen auf dem Buckel am Eidgenössischen in Luzern den dritten Rang belegte, hat er geraucht und seine Freizeit am liebsten am Stammtisch des Restaurants Traube in seiner Heimatgemeinde Diesbach verbracht.
In diesem Lokal hat er regelmässig die «Stucki Chrigu Spezialplatte» verputzt – vier Rahmschnitzel und 400 Gramm Nudeln, welche mit vier Pfirsichen aus der Dose garniert wurden. Ein Geniesser ist Stucki auch heute noch, obwohl er sich das Zigarettenrauchen schon länger abgewöhnt hat und viel weniger Kalorien zu sich nimmt – anstelle der schwer verdaulichen Rahmschnitzel mit Nudeln isst er heute viel öfter elegante Hecht-Filets aus dem Bielersee
Der Weltmann mit dem holprigen Englisch
Der Horizont des fünffachen Eidgenossen geht weit über die Landesgrenze hinaus. London gehört zu Stuckis bevorzugten Reisezielen in Europa, richtig wohl fühlt er sich auch in Nordamerika und in Ozeanien. Obwohl er sich damals noch kein Ticket für die bequeme Business-Klasse leisten konnte, hat sich der 150-Kilo-Brocken 2010 für den endlos anmutenden Flug nach Australien in die Holzklasse gequetscht, um gemeinsam mit seiner Schwester während drei Monaten das Land der Kängurus zu bereisen.
In den letzten Jahren hat er seine Eishockey-Kumpels Mark Streit und Roman Josi in den USA besucht. Obwohl das Englisch des Seeländer Überschwingers nicht die Maximalnote 10 erreicht, scheut er in der Fremde keinen verbalen Schlagabtausch. Als er 2014 in Philadelphia von einem Flyers-Fan gefragt wurde, ob er Kraftsport betreibe, zückte Stucki sein Handy aus der Tasche, um ein Video von einem seiner Siege am Fribourger Schwarzsee-Schwinget abzuspielen: «That’s Swiss Wrestling on the Black Sea!» Wörtlich übersetzt: Das ist Schwingen auf dem Schwarzen Meer ...
Der herzliche Familienmensch
Stuckis grösstes Glück basiert auf einer seiner schmerzlichsten Niederlagen – kurz nach dem verpassten Schwingerkönigstitel 2010 hat er beim offiziellen Schwinger-Empfang im Berner Seeland Cécile richtig kennen und lieben gelernt. «Wenn Chrigu damals Schwingerkönig geworden wäre, wären er und ich nicht zusammengekommen – der Rummel um einen König wäre mir damals zu viel gewesen», gesteht Cécile, die ihrem «Chrigu» in der Zwischenzeit die beiden Buben Xavier (6) und Elia (3) geschenkt hat.
Der Jüngere scheint körperlich nach seinem Papa zu kommen – wenige Minuten nach der Entbindung brachte Elia 4,4 Kilo auf die Waage. «Die Hebamme ist fast in Ohnmacht gefallen», sagt «Chrigu», der bei seiner Geburt vier Kilo gewogen hat, schmunzelnd.
Der bewegliche Koloss
Es gibt nach wie vor viele Aussenstehende, die glauben, dass Stuckis Erfolge im Sägemehl alleine wegen seiner Grösse (198 cm) und seiner Masse (150 kg) zustande kommen. Dabei ist der amtierende Unspunnen-Sieger in Wahrheit ein echter Bewegungskünstler. Er ist koordinativ derart talentiert, dass er mit seinem Schwergewicht über ein Slackline balancieren kann. Er jongliert meisterhaft Bälle.
Und der Mann, der in der Beinpresse 650 Kilo meistert, hat ein ganz feines Gespür für die richtige Schwungauslösung. «Ich habe selten einen Schwinger erlebt, der mit so viel Gefühl und Geschick auf die linke wie auf die rechte Seite kurz ziehen kann», schwärmt der ehemalige Unspunnen- und Kilchberg-Sieger Niklaus Gasser (58).
Der Verwandelte
Bis im Frühling 2017 hat Stucki einige grosse Siege verpasst, weil er in den entscheidenden Zweikämpfen zu brav agiert hat. Doch dann hat er den ehemaligen Bob-Anschieber Tommy Herzog als Konditions- und Mentaltrainer verpflichtet, der aus dem braven Berner Bären ein richtig aggressives Sägemehl-Tier gemacht hat. Wie? «Tommy hat in den Gesprächen mit mir die richtigen Worte gefunden, damit es in meinem Hirn klick gemacht hat», verrät Stucki.
Der Experimentierfreudige
Stucki hat sich in der Vorbereitung auf grosse Schwingfeste immer wieder gerne mit Giganten aus anderen Kampfsportarten gemessen. Vor dem Eidgenössischen 2010 verbrachte «Chrigu» ein paar Wochen in Japan bei Sumo-Ringern. «In den ersten Tagen hatten die Sumos für mich ein müdes Lächeln übrig», erinnert sich Stucki.
Doch dann hat sich der 41-fache Kranzfest-Sieger in aussergewöhnlicher Manier den Respekt der japanischen Kolosse erarbeitet. Stucki hat in der Garderobe mit blosser Hand einen Apfel zerquetscht. Selbst die stärksten Sumotori sind beim Versuch, «Chrigus» Kunststück nachzumachen, kläglich gescheitert.
Vom 26. bis 28. August dominieren Kolosse, Sägemehl und Zwilchhosen die Schweiz – das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest 2022 in Pratteln steht an. Hier findest Du alles, was Du über den Mega-Event wissen müssen.
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