Im heroischen Kampf um die Schwinger-Krone ist Werner Vitali im letzten Moment gescheitert. Der Luzerner musste sich 1998 im altehrwürdigen Wankdorf-Stadion im Eidgenössischen Schlussgang dem damals 19-jährigen Jörg Abderhalden beugen.
Die Residenz des mittlerweile 55-Jährigen erinnert dennoch an ein Königreich – seit zehn Jahren lebt er mit seiner Lebensgefährtin in einem Schloss in der Auvergne-Region in Zentralfrankreich. Den Aufwand, den er dafür betrieben hat, hätte der gelernte Bankkaufmann aber fast mit dem Leben bezahlt. Vitalis bewegende Geschichte als Geschäftsmann beginnt am Tag nach dem besagten ESAF-Schlussgang in Bern. Werner trifft sich mit seinem ehemaligen Sportskameraden Alex Lütolf. Die beiden übernehmen kurz darauf ein Tiefbau-Unternehmen in Sursee. Sie starten mit 60 Angestellten. Weil sie ihren Job derart gut machen, wächst das Unternehmen bis 2012 auf 300 Mitarbeiter an.
Mit 45 finanziell ausgesorgt
Obwohl Vitali zu diesem Zeitpunkt erst 45 Lenze zählt, könnte er sich in finanzieller Hinsicht den vorzeitigen Ruhestand leisten. Aber seit er in Italien bei einer Hochzeit auf einem Event-Schloss eingeladen war, lässt ihn der Gedanke an ein eigenes Schloss-Projekt keine Ruhe mehr. Auf einem Landsitz in der Nähe vom Städtchen Souvigny findet der 56-fache Kranzgewinner das passende Objekt. «Als wir das erste Mal hierhergekommen sind, erinnerte mich das Schloss an eine Ruine. Aber wir haben das Potenzial erkannt und die Umgebung hat uns so gut gefallen, dass wir das Anwesen gekauft haben.»
Vitali muss zusammen mit seiner Esthi sehr viel Schweiss und noch mehr Geld investieren, bis das Schloss wieder im ursprünglichen Glanz erstrahlt. Aus den Pferdeställen werden als Alternative zu den Wohnungen im Schloss sieben Gäste-Appartements erbaut, die viele schmucke Details beinhalten. Insgesamt hat es in Vitalis Schloss Platz für 43 Gäste. «Ich habe für die Renovation noch einmal so viel Geld ausgegeben, wie ich für den Kauf dieser Schlossanlage bezahlt habe.» Weil Vitali in der Umbau-Phase auch noch als Gemeindeammann in Mauensee tätig ist, pendelt er regelmässig mit dem Auto zwischen Frankreich und der Schweiz. Am Abend des 14. August 2014 erhält er die Quittung für diesen Dauerstress.
Herzstillstand mit 47
Vor dem Fernseher sitzend wird er plötzlich von Brustschmerzen geplagt. Er wählt die Notfallnummer 144. Als die Ambulanz bei ihm eintrifft, ist es schon fast zu spät: Vitali hat einen Herzinfarkt, zwischenzeitlich steht sein Herz sogar gänzlich still! Darum kommt es einem mittleren Wunder gleich, dass Vitali noch am Leben ist.
Mittlerweile kann er diesem dramatischen Zwischenfall sogar Positives abgewinnen. «Ich habe diesen Herzinfarkt gebraucht, damit ich einen Gang zurückschalte. Und die Tabletten, die ich seither nehmen muss, erinnern mich jeden Tag daran, dass ich ja nicht wieder übermütig werde.»
Wie schnell alles vorbei sein kann, wurde Vitali in den letzten beiden Jahren durch schwere Schicksalsschläge in der eigenen Familie erneut vor Augen geführt. Im Sommer 2020 starb sein Bruder Albert, der für die FDP im Nationalrat gesessen hat, mit 65. Und in diesem Frühling ist einer seiner Neffen im Alter von 32 nach akutem Herzversagen gestorben.
Zusammenarbeit mit Rammstein
Auch deshalb geht der zweifache Kranzfestsieger zu stressigen Tätigkeiten aus dem Weg, obwohl die Appartements in seinem Schloss viele Gäste anziehen: «Ich habe hier immer etwas zu tun, aber ich muss nicht mehr unter Hochdruck arbeiten. Ich kann mir selber einteilen, wann ich den Swimmingpool reinige, die Zaunlatten frisch streiche oder wann ich den Rasen mähe.»
Ein letztes Mal so richtig gekracht hat es im Berufsalltag des vierfachen Eidgenossen 2016, als Mitorganisator des gigantischen Konzerts «Allmend rockt» in Luzern mit den Top-Acts «Rammstein» und Iron Maiden. «Ein Bekannter, dem eine Musik-Agentur gehörte, hat mich gefragt, ob ich bei der Organisation einer so grossen Veranstaltung mitmachen möchte. Diese Episode mit Rammstein und Iron Maiden war eine tolle Erfahrung. Ich habe mich danach trotzdem aus dieser Branche verabschiedet, die Abhängigkeit von Drittpersonen war mir zu gross.»
Anstelle von knallhartem Metal-Sound wird er sich heute eine ordentliche Dosis Schweizer Folklore reinziehen – Vitali hat sein Château am Freitag verlassen und ist nach rund sechs Stunden Autofahrt in Pratteln eingetroffen. Tief in Wernis grossem Herz ist der Wunsch verankert, dass heute ein Innerschweizer das schafft, was er selbst vor 24 Jahren knapp verpasst hat: die Eroberung des Schwinger-Throns.